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Bahnbrechendes Höchstgerichtsurteil für den Schutz rumänischer Naturwälder

Höchstgericht in Bukarest entscheidet für Offenlegung der Forstbewirtschaftingspläne; EU-Kommission verlangt vollständige Übertragung der Natura 2000 Richtlinien in rumänisches Recht.

Waldbewirtschaftungspläne enthalten umweltrelevante Informationen und diese müssen auch öffentlich zugänglich sein. Dieser Rechtsmeinung hat sich nun auch das Oberste Berufungsgericht in Bukarest  angeschlossen. Die NGO Agent Green hat im vergangenen Jahr etliche Gerichtsverfahren gegen Waldbesitzer und Behörden angestrengt, um die EU-Umweltinformationsrichtlinie, die Aarhus-Konvention sowie die Natura 2000 – Richtlinien im Zusammenhang mit dem Schutz ökologisch wertvoller Wälder juristisch durchzusetzen. Nun hat das Höchstgericht in Bukarest entscheiden: Die Öffentlichkeit hat Anspruch auf Informationszugang zu Umweltinformationen im Forstsektor.

Lange haben die rumänischen Behörden und die Staatswaldverwaltung Romsilva umweltrelevante Informationen in den forstlichen Bewirtschaftungsplänen geheim gehalten – entgegen den Bestimmungen der Aarhus Konvention  und der EU-Umweltinformationsrichtlinie. Agent Green musste daher den Zugang zu relevanten Informationen in zahlreichen Gerichtsverfahren einklagen. Das Berufungsgericht in Bukarest hat nun Agent Green recht gegeben und die Berufung des Umweltministeriums zurückgewiesen. Ab sofort ist das Ministerium verpflichtet, umweltrelevante Informationen aus Forstmanagementplänen auf Anfrage zugänglich zu machen.

Dies bedeutet, dass das Berufungsgericht der Zivilgesellschaft das Recht einräumt, Informationen einzuholen, wie: das im Wald vorhandene Volumen an Holz, die Baumarten, das Durchschnittsalter der Bäume, welche Art von Holznutzungen geplant sind oder das für die nächsten 10 Jahre genehmigte Holzeinschlagsvolumen.
Dies ist ein wichtiger Schritt, um die öffentliche Kontrolle über die Einhaltung der EU-Richtlinien und damit den Schutz ökologisch wertvoller Wälder sicherzustellen.

Der Spruch hat auch für den Rest der EU Signalwirkung, da Forstbewirtschaftungspläne auch außerhalb von Rumänien fast überall als „Betriebsgeheimnis“ unter Verschluss gehalten werden. Das Thema mangelhafter Informationszugang ist auch Thema hinsichtlich des EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Regierung in Bukarest. Hier könnte ein Gang der EU-Kommission zum Gerichtshof der EU bevorstehen.

Der Druck aus Brüssel auf die rumänische Regierung wächst jedenfalls: Die Europäische Kommission fordert Rumänien in ihrer jüngsten Veröffentlichung zum Vertragsverletzungsverfahren auf, die Erhaltung der natürlichen Lebensräume des Landes sowie den Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen gemäß der Vorgaben in den EU Naturschutz-Richtlinien vollständig in nationales Recht umzusetzen. Die forstlichen Bewirtschaftungspläne würden Natura 2000 Bestimmungen oftmals nicht berücksichtigen, moniert die EU-Kommission. So werden die Naturschützer der NGO Agent Green gerade auch in Natura 2000-Gebieten immer wieder Zeugen illegalen Holzeinschlags. Rumänien hat nun zwei Monate Zeit, um diesen Zustand zu beheben, andernfalls droht eine begründete Stellungnahme der Kommission, die ein Strafverfahren beim Gerichtshof der EU – und eine saftige Strafe – nach sich ziehen könnte.

Verwüstung eines (ehemals) paradiesischen Seitentales im Domogled – Valea Cernei Nationalpark / Natura 2000 Gebiet.

EU-Kommission warnt Rumänien: Illegale Abholzungen stoppen oder Klage vor EU-Gericht

Die Europäische Kommission fordert die rumänischen Behörden auf, unverzüglich gegen die illegalen Abholzungen von Ur- und Naturwäldern in rumänischen Schutzgebieten vorzugehen

Die Europäische Kommission hat heute eine begründete Stellungnahme veröffentlicht – der letzte Schritt vor der Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen Rumänien. Die Kommission benennt darin das systematische und andauernde Versagen der rumänischen Behörden, die Waldgebiete des Landes zu schützen, die zu den kostbarsten in Europa zählen.

Die begründete Stellungnahme ist eine letzte Aufforderung an die rumänische Regierung, das Problem anzugehen. Wenn die Behörden weiterhin nicht aktiv werden, bringt die Kommission den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH), die höchste juristische Instanz der EU. Der rumänischen Regierung wird ein Monat Zeit gegeben, um auf die Stellungnahme zu reagieren.

Das Einschreiten der Kommission folgt auf eine Serie an Beschwerden, die von den Naturschutzorganisationen EuroNatur, Agent Green und ClientEarth eingebracht wurden. Die Europäische Kommission leitete daraufhin Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien ein.

Die für Wildtier- und Lebensraumschutz zuständige Anwältin von ClientEarth, Ewelina Tylec-Bakalarz, erklärt dazu: „Die Stellungnahme der Kommission zeigt deutlich, dass die rumänische Regierung gegen EU-Recht verstößt, und verlangt daher gezielte Maßnahmen der Behörden zur Verbesserung der Situation. Wenn diese dauerhafte Untätigkeit hingegen fortgesetzt wird, wird sich Rumänien wohl vor dem europäischen Gerichtshof wiederfinden. Die Bedeutung dieser Wälder kann gar nicht unterschätzt werden – und die Stellungnahme der Europäischen Kommission zeigt, wie gravierend die Situation ist.“

Rumänien beherbergt zwei Drittel der Ur- und Naturwälder, die es heute noch in der gemäßigten Klimazone Europas gibt. Diese kostbaren Ökosysteme sind nach EU-Recht als Natura 2000-Gebiete geschützt, werden aber dennoch durch großflächige Abholzungen systematisch zerstört – ohne dass die rumänischen Behörden dagegen vorgehen.

„Es überrascht uns überhaupt nicht, dass das Vertragsverletzungsverfahren auf die nächste Ebene gehoben wird“, sagt Gabriel Paun von Agent Green. „Die illegalen Abholzungen und die Zerstörung von Natura 2000-Gebieten schreitet mit dem stillschweigenden Einverständnis des Umweltministeriums voran. Wenn Rumänien wegen des Verstoßes gegen EU-Recht mit Strafzahlungen belegt wird, müssen die Steuerzahler dafür geradestehen – das ist unfair. Die weitere Weigerung, zu handeln, wäre ein zutiefst verantwortungsloser Zug des Staates.“

EuroNatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer schließt: „Die Kommission lässt keinen Zweifel, dass die Ur- und Naturwälder Rumäniens dringend geschützt werden müssen. Wir hoffen, dass die Kommission rasch handeln wird und Rumänien vor den EuGH bringt, damit der fortschreitenden Waldzerstörung Einhalt geboten wird.“

Illegale, während dem Corona-Lockdown errichtete Straße durch das wilde Sambata-Tal im Natura 2000 Gebiet Fagaras Gebirge

Die Kommission hat außerdem ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eröffnet. Darin werden die rumänischen Behörden aufgerufen, ihren Verpflichtungen zum Schutz ihrer Natura 2000-Gebiete gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie durch Ausweisung der vorgeschriebenen „Special Areas of Conservation“ nachzukommen.

Schutz der Urwälder in Rumänien wird völlig vernachlässigt

++ Neuer Bericht zeigt: Riesige Urwaldgebiete werden nicht im „Nationalen Katalog der Urwälder“ registriert ++ Behörden blockieren oder „verlieren“ Studien über Urwaldgebiete und vereiteln so deren Schutz  ++

Das Versäumnis der rumänischen Regierung, die verbleibenden Urwälder des Landes zu schützen, wird in dem heute von Agent Green und EuroNatur veröffentlichten Bericht „Failing our Last Great Forests“ deutlich.


Der Bericht analysiert Daten im Zusammenhang mit Rumäniens „Nationalem Katalog der Urwälder“ und deckt klare Pflichtverletzungen und Misswirtschaft auf, die direkt zur Abholzung der wertvollen Urwälder Rumäniens geführt haben. Bisher wurden durch den nationalen Urwaldkatalog nur 30.062 Hektar geschützt – Zielvorgabe waren ursprünglich 400.000 Hektar. Agent Green und EuroNatur schätzen, dass seit 1999 mindestens 110.000 Hektar wertvoller Wälder verloren gegangen sind.

„Dieses Versagen des staatlichen Naturschutzes ist kein Zufall. Es zeigt den klaren Mangel an politischem Willen auf Kosten der letzten großen Wälder Europas – und das direkt vor unseren Augen. Von den wenigen geschützten Wäldern sind viele das Ergebnis unserer Protestbewegung in den Bergen von Semenic und Tarcu“, sagt Gabriel Paun von Agent Green.


Der Bericht enthüllt Einzelheiten zu 24.260,56 Hektar Urwäldern. Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftliche Einrichtungen, die von der Regierung genau dazu eingeladen wurden, haben Studien zur Qualität der Wälder verfasst. Diese Studien wurden beim zuständigen Ministerium eingereicht, damit die Urwälder in den Nationalen Katalog eingeschrieben werden. Das schockierende Resultat: 80 Prozent dieser eingereichten Studien wurden entweder abgelehnt, blockiert, zur Überarbeitung zurückgegeben oder von den Behörden in verschiedenen Phasen des Prozesses sogar verloren. Den Urwäldern wurde somit der Schutz im Katalog verwehrt.

Übersichtstabelle:

Wissenschaftler haben zur Erstellung der Studien über lange Zeiträume mühsame Forschung betrieben und oft an abgelegenen Orten mit erheblichen Kosten gearbeitet, um die schützenswerten Wälder zur Aufnahme in den Urwaldkatalog einzureichen. Dass ihre Studien sogar von rumänischen Beamten verloren wurden, zeigt das Desinteresse der Behörden am effektiven Schutz der Urwälder ihres Landes.

Die Korrespondenz mit rumänischen Beamten hat eine erhebliche Differenz in der Anzahl der eingegangenen und anerkannten Berichte zwischen verschiedenen Regierungsstellen ergeben. Das Umweltministerium gibt an, nur Studien für 42 Waldgebiete mit einer Fläche von 9.382,70 Hektar erhalten zu haben. Der rumänische Forstdienst bestätigt allerdings die Annahme von Studien für 105 Gebiete mit einer Fläche von 24.260,54 Hektar. Für die inkonsistenten Daten gibt es bisher keine Erklärung.

„Wir haben es in Rumänien mit einem Bermuda-Dreieck-Syndrom zu tun. Die Urwälder verschwinden. Zum Beispiel wurden die alten Wälder von Coltii Balei im Landkreis Buzau ursprünglich als Teil des Katalogs akzeptiert. Dies wurde den Erstellern der entsprechenden Studien so mitgeteilt. Offiziell wurden sie aber nie in den Urwald-Katalog aufgenommen“, fügte Paun hinzu.


„Das Prüfverfahren für den ‚Nationalen Katalog der Urwälder‘ waren unprofessionell und wurden schlecht verwaltet. Die letzten großen Ur- und Naturwälder Europas verdienen ein Höchstmaß an Schutz. Schnelles Handeln ist von entscheidender Bedeutung. Doch bürokratische Hürden und schwerwiegende Misswirtschaft lassen einen systembedingten Mangel an Sorgfalt und Ernsthaftigkeit hinsichtlich des Schutzes des einzigartigen Walderbes Rumäniens erkennen“, sagte Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.


EuroNatur und Agent Green fordern das rumänische Umweltministerium auf, alle verbleibenden Ur- und Naturwälder unverzüglich zu schützen. Die EU hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahrens gegen die rumänischen Behörden wegen illegalen Holzeinschlags in seinen Natura 2000-Gebieten eingeleitet – diese Beschwerde wurde ebenfalls von EuroNatur und Agent Green eingereicht.

Hintergrundinformationen:
Der Bericht „Failing our Last Great Forests“ ist hier zu finden: LINK

Der PRIMOFARO-Bericht (Natur- und Urwaldgebiete Rumäniens) von EuroNatur und Agent Green zeigt, dass Rumänien immer noch mehr als 525.000 Hektar potenzielle Natur- und Urwälder beherbergt, mehr als jeder andere EU-Mitgliedstaat (außerhalb Skandinaviens).

Boia Mica ist eines der wildesten Gebirgstäler Europas. Trotzdem wurde es bisher nicht in den „Nationalen Katalog der Urwälder“ aufgenommen …