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Bericht: Illegaler Holzeinschlag in Rumäniens Naturwäldern nimmt zu – trotz EU Vertragsverletzungs-Verfahren

Neue Daten zeigen, dass die Abholzung der letzten großen Primär- und Urwälder der EU in Rumänien unvermindert weitergeht

Die Daten zeigen, dass der illegale Holzeinschlag in einigen der ältesten und wertvollsten Wälder Europas in Rumänien in den letzten zwei Jahren sogar zugenommen hat, obwohl die Europäische Kommission rechtliche Schritte gegen den rumänischen Staat eingeleitet hat, um dagegen vorzugehen

Der Bericht, der von den Nichtregierungsorganisationen Agent Green, ClientEarth und EuroNatur veröffentlicht wurde, zeigt, dass die wertvollen Ur- und Naturwälder des Fagaras-Gebirges am stärksten von diesen illegalen Abholzungen betroffen sind. Die Abholzungsgenehmigungen in diesen Gebieten haben zwischen 2020 und 2021 drastisch zugenommen, was zu einer erheblichen Verschlechterung des Erhaltunsgrades dieser wertvollen Waldökosysteme geführt hat.

Nach einer Reihe von EU-Beschwerden der Umweltorganisationen leitete die Europäische Kommission im Jahr 2020 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den rumänischen Staat ein, dem später im selben Jahr eine letzte Mahnung folgte.

Da der rumänische Staat untätig blieb, gab die Europäische Kommission noch im selben Jahr eine dringende Stellungnahme („Reasoned Opinion“) heraus – eine letzte Aufforderung an den rumänischen Staat, das Problem zu lösen. Gleichzeitig wurde angedroht, den Fall an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu verweisen, wenn Rumänien nicht innerhalb der folgenden vier Wochen unverzüglich Maßnahmen ergreift. Wie der neue Bericht jedoch deutlich zeigt, sind fast zwei Jahre vergangen, und Rumänien ist der Forderung der Kommission noch immer nicht nachgekommen.

Die Umweltgruppen fordern die Europäische Kommission daher auf, sofort zu handeln und den Fall an den EuGH zu verweisen – aufbauend auf dem Urteil des höchsten EU-Gerichts aus dem Jahr 2018 gegen die massive Abholzung des polnischen und ebenfalls EU-geschützten Bialowieza-Waldes.

„Leider ist diesen Wäldern nichts Gutes widerfahren, seit die Kommission rechtliche Schritte eingeleitet hat“, sagt Gabriel Paun, Geschäftsführr der rumänischen Naturschutzorganisation Agent Green. „Im Gegenteil: Unsere Felduntersuchungen und Datenanalysen zeigen, dass in vielen wertvollen heimischen Wäldern der Holzeinschlag im Vergleich zu der Zeit vor dem EU-Verfahren sogar massiv zugenommen hat. Wir haben die Beweise der Europäischen Kommission vorgelegt und erwarten eine ernsthaftere Verfolgung dieser Verstöße, um die Untätigkeit des rumänischen Staates zu sanktionieren“, so Paun weiter.

Trotz der Gespräche zwischen Rumänien und der EU Kommission hat der Mitgliedstaat bisher keine wirksamen Schritte unternommen, um die Zerstörung seiner geschützten Naturwälder in den Natura 2000-Gebieten zu stoppen.

„Die rumänischen Behörden scheinen die Europäische Kommission zu täuschen. Wir fordern die EU dringend auf, für die Durchsetzung des bestehenden EU-Rechts in Rumänien zu sorgen. Alles andere wäre ein fatales Zeichen der Schwäche, nicht nur gegenüber Rumänien, sondern auch gegenüber anderen EU-Ländern. Letztlich gefährdet die Untätigkeit Brüssels in Bezug auf die fortschreitende Waldzerstörung in Rumänien die gesamte EU-Biodiversitätsstrategie und den „Green Deal“, sagt Annette Spangenberg, Leiterin des Bereichs Naturschutz bei EuroNatur.

Agata Szafraniuk, Rechtsexpertin für Wildtiere und Lebensräume bei ClientEarth, sagt: „Rumäniens anhaltende Untätigkeit bewirkt, dass sich die Situation in den rumänischen Wäldern weiter verschlechtert. Trotz der Warnungen der Europäischen Kommission verstößt Rumänien weiterhin gegen die EU-Naturschutzvorschriften, indem es Abholzungsgenehmigungen in geschützten Waldgebieten erteilt, ohne vorher die erforderlichen Naturverträglichkeitsprüfungen durchzuführen. Wenn die Kommission diese eindeutige Missachtung der EU-Naturschutzvorschriften durch Rumänien nicht vor das höchste Gericht der EU bringt, sieht die Zukunft dieser wichtigen Wälder düster aus.“

 

Agent Green: Rumänisches Gericht hebt Abholzungsbewilligungen im Natura 2000-Gebiet Făgăraș als rechtswidrig auf

Nach einer 2018 von der rumänischen Umweltschutzorganisation Agent Green eingereichten Beschwerde hob das rumänische Gericht diesen November die Bewilligungen zur Abholzung von mehr als 7.000 Hektar Ur- und Naturwald im Natura 2000-Gebiet Făgăraș auf.

 

Seit mehreren Jahren bringt Agent Green auf eigene Kosten zahlreiche Klagen und Beschwerden gegen Abholzungsbewilligungen des Umweltministeriums ein, da diese aus Sicht der Organisation gegen nationales und internationales Recht verstoßen, u.a. gegen die EU-Naturschutzrichtlinien.

 

Am 29. November 2021 annullierte nun das Gericht in Bukarest die Forstmanagementpläne für mehr als 7000 Hektar Wald im Forstbezirk Avrig in den Făgăraș-Bergen, die unter dem Schutz innerhalb des EU-weiten Natura 2000-Schutzgebietsnetzwerkes stehen. Diese Entscheidung wurde von den Umweltschützern begrüßt, kann jedoch noch von Romsilva, des rumänischen Forstmanagements, angefochten werden. Der Gerichtsentscheid stellt die Wälder – wo die Abholzungen bereits aufgrund des laufenden Verfahrens ausgesetzt waren – nun unter vorläufigen Schutz.

 

„Wir brachten die Beschwerde 2018 ein und im Jahr darauf leitete das Gericht das Verfahren ein. Unsere Beschwerde richtete sich gegen den Forstmanagementplan, der Fällungen in zwei Natura 2000-Gebieten erlaubte, und das ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung. Außerdem waren darunter mehrere Parzellen mit potentiellen Ur- und Naturwäldern, die nicht richtig kategorisiert waren. Eine Ministeriumserlass von 2012 hatte festgestellt, dass diese Bereiche vorläufig als streng geschützt einzustufen sind, bis durch Studien geklärt ist, ob es sich um Urwälder handelt oder nicht. Dies wurde allerdings nicht befolgt und so sind bereits einige dieser Wälder zerstört worden“, erklärt Cătălina Rădulescu, Anwältin von Agent Green.

 

Die illegalen Abholzungen waren von Ermittlern von Agent Green während Exkursionen in die Wälder entdeckt worden. Die Waldzerstörung war in vollem Gange, obwohl das Gebiet eigentlich nach EU-Recht unter Schutz steht. Die entsprechenden EU-Richtlinien verbietet die Verschlechterung des Erhaltungszustands von geschützten Arten und Lebensraumtypen. Die ökologischen Bedenken der Naturschützer gegenüber den Abholzungen wurden vom Ministerium als „irrelevant“ bezeichnet.

 

Agent Green legte dem Gericht Belege vor. Erst nach Inkrafttreten des – jetzt als rechtswidrig bestätigten – Managementplans wurden Unterlagen zusammengestellt, die aber weder eine ordentliche Strategische Umweltprüfung (wie von der SUP-Richtlinie der EU vorgeschrieben) noch eine angemessene Umweltverträglichkeitsprüfung (wie nach der FFH-Richtlinie der EU verpflichtend) enthielt. Bizarrerweise wurden diese Unterlagen mehrere Jahre nach Inkrafttreten des Forstmanagementplans per Ministeriumserlass gebilligt.

 

In den Natura 2000-Gebieten Rumäniens ist es an der Tagesordnung, dass Ur- und Naturwälder abgeholzt werden ohne vorher die erforderlichen Prüfungen durchzuführen. Die nun vorliegende Entscheidung des Gerichts in Bukarest zeigt, dass Abholzungsgenehmigungen ohne diese vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfungen rechtswidrig sind.

 

Im Jahr 2020 hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien wegen mangelnden Schutzes von Natura 2000-Gebieten eingeleitet. Allerdings ist dieses Verfahren seit Juli 2020 nicht vorangekommen und die Waldzerstörung greift weiter um sich.

 

Die unablässige Zerstörung von Ur- und Naturwäldern zeigt, dass das Problem alles andere als „gelöst“ ist. Natura 2000 leidet in Rumänien weiterhin an massiven und systematischen Vollzugsproblemen und zahlreiche der wertvollsten Naturwälder der EU werden mit eindeutiger Mitwisserschaft und Mittäterschaft der Behörden zerstört.

 

„Die Entscheidung des Gerichts zeigt deutlich, dass die rumänische Regierung die EU-rechtliche Verpflichtung, Urwälder, andere naturnahe Lebensräume und gelistete Arten in Natura 2000-Gebieten in einem guten Erhaltungszustand zu bewahren, missachtet. Leider stellen auch die jüngsten legislativen Änderungen seitens der rumänischen Regierung keinen mit EU-Recht konformen Zustand her. Und Untersuchungen vor Ort in den Wäldern zeigen, dass die weitverbreitete Zerstörung von Ur- und Naturwäldern in rumänischen Natura 2000-Gebieten anhält und sogar zunahm seit die Europäische Kommission im Februar 2020 das Vertragsverletzungsverfahren einleitete“, unterstreicht Gabriel Paun, Präsident von Agent Green.

 

„Dass das Umweltministerium während des Verfahrens keine Maßnahmen zur Bewahrung dieser äußerst wertvollen und EU-geschützten Wälder im Natura 2000-Gebiet Făgăraș ergriff, ist unglaublich und zeigt die fehlende Bereitschaft der Regierung, den Waldschutz zu verbessern. Wir appellieren daher dringend an die Europäische Kommission, das Vertragsverletzungsverfahren gegen die rumänischen Behörden rasch fortzusetzen und den Fall dem Europäischen Gerichtshof zu übergeben“, schließt Gabriel Paun.

 

Link zur Entscheidung des Gerichts in Bukarest: http://portal.just.ro/2/SitePages/Dosar.aspx?id_dosar=200000000369607&id_inst=2

Rumänien: Die regierungseigene Monitoring-Website zeigt „live“ die fortschreitende Zerstörung von geschützten Naturwäldern

„Friedhof der Habitatbäume“ – EuroNatur / Agent Green: EU muss Vertragsverletzungsverfahren beschleunigen, um weitere Zerstörung von Natura 2000-Gebieten zu verhindern

Mitglieder des Europäischen Parlaments fordern die EU-Kommission auf, die Überarbeitung der Abholzungsgenehmigungen in rumänischen Natura 2000-Gebieten sicher zu stellen 

Experten der EuroNatur Stiftung und von Agent Green machten auf der regierungseigenen Webseite „Waldinspektor“ („Inspectorul Pădurii“)  äußerst beunruhigende Entdeckungen. Die „Kontroll“-Bilder von LKWs, die Bäume aus Rumäniens Wäldern abtransportieren (die von den LKW-Fahrern selbst hochgeladen werden müssen), offenbaren das skandalöse Ausmaß der fortgesetzten Zerstörung besonders wertvoller Wälder in Natura 2000-Gebieten. Die Bilder zeigen Hunderte von riesigen und jahrhundertealten Bäumen, die in Schutzgebieten gefällt und jeden Tag auf LKWs geladen werden. Die digitale Dokumentation über das tagtägliche „Begräbnis der Bäume“ liefert eine Art „Live“-Berichterstattung über einen der größten Naturzerstörungs-Skandale in der EU: Die Abholzung wertvoller Ur- und Naturwälder sowie weiterer Wälder in Rumänien.

Da nicht alle LKW-Transporte auf der Website mit Fotos illustriert werden und illegale Abholztransporte überhaupt keinen Eintrag auf der Forest Inspector Website haben, ist die Tragödie in den verschwindenden Naturwäldern Rumäniens höchstwahrscheinlich noch größer, als auf der Webseite sichtbar.
Diese Bilder sind ein objektiver und unabhängiger Beweis für den Skandal der laufenden Abholzung in Wäldern mit hohem Biodiversitätswert in rumänischen Natura 2000-Gebieten, Nationalparks und anderen Schutzgebieten.

Die schiere Menge der gefällten alten Bäume, die Habitat für zahlreiche Arten darstellen, auf der Website ist überwältigend.

„Die Tatsache, dass diese Bilder (siehe unten; Kommentar) hochgeladen und auf einem offiziellen Regierungs-Webserver veröffentlicht werden, ohne dass die zuständigen Politiker und Behörden irgendwelche sofortigen Maßnahmen zum Schutz dieser Wälder ergreifen, ist wirklich schockierend. Die Regierung und die Behörden müssen sich dieser Bilder auf ihrem Server bewusst sein, die die fortschreitende Zerstörung vieler der wertvollsten Waldlebensräume in Europa belegen. Das ist eine Tragödie und völlig inakzeptabel. Die Europäische Kommission muss daher das Vertragsverletzungsverfahren beschleunigen, um die Zerstörung vieler der letzten intakten Ur- und Naturwälder in der EU jetzt einzudämmen“, sagt Annette Spangenberg, Leiterin des Bereichs Naturschutz bei der EuroNatur Stiftung.

Bildergalerie 1: Domogled-Valea Cernei Natura 2000-Gebiet/Nationalpark

Bilder von Holzfäller-LKWs, die mit Bäumen aus Waldbeständen im Natura 2000-Gebiet und National Park Domogled -Valea Cernei beladen sind (alle Bilder wurden am 25. März 2021 heruntergeladen). Die Bilder wurden von Holzfällern aufgenommen und hochgeladen.

Diese Bilder sind nur kleiner Teil der Screenshots von der Forest Inspector Website, die in den letzten Wochen gesammelt wurden.

Die Europäische Kommission hat im Februar 2020 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den rumänischen Staat wegen Verstößen gegen EU-Recht eingeleitet, unter anderem wegen des illegalen Holzeinschlags in Natura 2000 geschützten Wäldern. Seitdem die EU-Kommission im Juli 2020 eine klare und kritische „begründete Stellungnahme“ veröffentlicht hat, gab es Verfahren aber keine weiteren Fortschritte  – und die Abholzungen gehen unterdessen ungerührt weiter.

Inzwischen sind Hinweise aufgetaucht, dass Rumänien offenbar versucht, das Verfahren mit dem Versprechen einiger Anpassungen der nationalen Gesetze an die EU-Gesetzgebung abzuwürgen. Gesetzesänderungen hätten aber keine Auswirkungen auf bereits genehmigte 10-Jahres-Abholzungspläne (sondern nur auf zukünftige noch zu genehmigende Pläne). Die vorsätzliche Zerstörung von EU-Schutzwäldern würde also weitergehen – und das vor den Augen der Öffentlichkeit.

„Wenn die EU-Kommission akzeptiert, dass Rumänien bloss die EU-Konformität einiger Gesetze verbessert, aber alle bestehenden Abholzungsgenehmigungen für Naturwälder in Natura 2000-Gebieten unverändert weiter bestehen läßt, wäre das ein schwerer Rückschlag für die gesamte EU Biodiversitätsstrategie 2030, den Green Deal und die Umsetzung von Natura 2000 in der gesamten EU“, so Annette Spangenberg weiter.

EU-Parlamentarier fordern die Europäische Kommission auf, die Abholzung von Naturwäldern in Natura 2000-Gebieten zu stoppen

Diese Meinung wurde kürzlich auch in einem Brief mehrerer EU-Parlamentarier an die EU-Kommission geäußert: „Sollte das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt werden, ohne dass sichergestellt wird, dass der derzeitige Holzeinschlag in Ur- und Naturwäldern in Rumänien deutlich reduziert wird, würde dies auch den Green Deal und die darin eingebettete Biodiversitätsstrategie 2030 der EU ernsthaft behindern. Es wäre auch völlig widersprüchlich, wenn auf der einen Seite die Europäische Kommission bereit ist, in die Anpflanzung von 3 Milliarden Bäumen in der EU zu investieren, während auf der anderen Seite die massive Abholzung von Urwäldern akzeptiert wird.“

Die Europaabgeordneten Martin Häusling, Anna Deparnay-Grunenberg, Thomas Waitz, Sarah Wiener und Michal Wiezik schließen: „Wir fordern die Aussetzung und vollständige Überarbeitung aller Waldbewirtschaftungspläne und Abholzungslizenzen, die Natura 2000-Gebiete und Ur- und Naturwaldbestände betreffen, sowie eine Lösung, um die Eigentümer entsprechend zu entschädigen. Rumäniens Ur- und Naturwälder müssen gemäß den Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und dem EU-Green Deal erhalten werden.“

Bildergalerie 2: Natura 2000-Gebiet Fagaras-Gebirge

Bilder von Holzfäller-LKWs, die mit Bäumen aus Waldbeständen im Natura 2000-Gebiet Fagaras Mountains beladen sind (alle Bilder wurden am 25. März 2021 heruntergeladen). Die Bilder wurden von Holzfällern aufgenommen und hochgeladen.

Bildergalerie 3: Natura 2000-Gebiet Frumoasa

Bilder von Holzfäller-LKWs, die mit Bäumen aus Waldbeständen im Natura 2000-Gebiet Frumoasa beladen sind (alle Bilder wurden am 25. März 2021 heruntergeladen). Die Bilder wurden von Holzfällern aufgenommen und hochgeladen.