Kahlschlag für Klimaschutz?

In bewirtschafteten Wäldern geht es vor allem um die Holzgewinnung. Totholz sucht man meist vergebens, weil in der Regel alles nutzbare Holz entfernt wird. Nach einem Kahlschlag entstehen Wälder, in denen die Bäume gleich alt, gleich dick und gleich lang sind. Das nennt man „Altersklassenwald“. Lange Zeit galten (Fichten- oder Kiefer-) Monokulturen als wirtschaftlich und modern. Um rentabler zu wirtschaften, wird auch heute noch oft in Form von Kahlschlägen geerntet. Auf Kahlschlagsflächen kämpfen Jungbäume mit sommerlicher Hitze oder Trockenheit und müssen sich gegen Gras, Stauden und Mäuse durchsetzen. Um unerwünschte Pflanzen abzutöten, werden auch Pestizide eingesetzt. 

Auf Kahlschlagsflächen fehlen die symbiotischen Pilze, die in Naturwäldern das Pflanzenwachstum fördern. Der starke Lichteinfall auf den Kahlflächen bewirkt außerdem eine Beschleunigung des Humusabbaus. Das führt zu einer vermehrten Abgabe von Kohlenstoff (Kohlendioxid / CO2) aus Böden an die Atmosphäre. Kahlschläge sind aus Sicht des Klimaschutzes daher nicht mehr zeitgemäß. 

Bewirtschaftete Wälder werden oft schon im jugendlichen Alter von 80 – 100 Jahren genutzt. Daher gibt es kaum alte Bäume. Eine ökologische Forstwirtschaft orientiert sich an natürlichen Prozessen und vermeidet starke Störungen der Waldökologie: Möglichst kleinflächige Holzentnahme und Verjüngung durch natürlichen Nachwuchs sind angesagt. Es gibt keine Kahlschläge. Auf großen Kahlschlägen dauert es oft viele Jahre oder gar Jahrzehnte, bis der Wald vom Rand her einwächst und wieder eine Waldbedeckung entsteht. 

Kahlschlag als Heilmittel für das Weltklima?

Die Forstindustrie macht derzeit Stimmung für eine intensivere Nutzung unserer Wälder. Die Unternehmen argumentieren, dass der Einsatz von Holz klimaschädliche fossile Energieträger ersetzt und so den Klimaschutz fördert. 

Sicher, Holz wächst wieder nach und entzieht dabei der Atmosphäre klimaschädliches CO2. Doch dieser Effekt tritt mit einer Zeitverzögerung ein – schliesslich muss der Wald ja erst wieder nachwachsen und so die durch die forstliche Nutzung ausgebeuteten Kohlenstofflager wieder “auffüllen”. Das dauert, je nach Waldtyp und -Alter, einige Jahrzehnte bis etliche Jahrhunderte. 

Vor allem Urwälder haben gewaltige Mengen Kohlenstoff in Lauf der Jahrtausende eingelagert. Diese “Kohlenstoff-Senken” wachsen beständig weiter. 

Wenn Urwälder kahlgeschlagen oder durch Feuer weggeräumt werden – egal ob im tropischen Regenwald wie in Indonesien (siehe Bild unten), Amazonien oder in Europa – dann bewirkt das zunächst einmal klimaschädliche Emissionen. Jede Kahllegung von Wald sowie die Verbrennung von Holz führt zur Freisetzung von Treibhausgasen.

Regenwaldzerstörung; Borneo; Klimaschutz; Urwald
Regenwaldzerstörung, Borneo

Nach dem Pariser Klimaschutzabkommen muss die Menscheit ihre Treibhausgasemissionen aber bis zum Jahr 2050 auf ein absolutes Minimum zurückschrauben. Wenn dies nicht gelingt, dann drohen gefährliche klimatische “Kippeffekte”. Damit sind Entwicklungen gemeint, bei denen sich der Klimawandel quasi selbst verstärkt – und so völlig außer Kontrolle gerate könnte. Unser Planet könnte dadurch in weiten Teilen unbewohnbar werden. 

Klimaforscher befürchten, dass die Erhitzung der Atmosphäre große Mengen Methan aus dem Permafrostboden Sibiriens oder aus der Tiefsee freisetzen könnte. Methan heizt das Klima noch viel stärker auf als Kohlendioxid. Das könnte eine sprunghafte Erhitzung der Atmosphäre bewirken, was noch mehr Methan freisetzen würde… Ein tödlicher Teufelskreis. 

Um diese “Kippeffekte” zu vermeiden, müssen die klimaschädlichen Emissionen aus allen Quellen reduziert werden – auch aus der Zerstörung von Wäldern und aus der Verbrennung von Holz. Biomasse als erneuerbare Energiequelle kann in einem begrenzten Ausmaß zur Energiewende beitragen. Aber nur, wenn es sich nicht um Alt- bzw. Urwälder handelt, wenn Kahlschläge unterlassen werden und gesichert ist, dass der Wald sehr rasch wieder nachwachsen kann.  Am besten ist die Klimabilanz, wenn Holz in Form langlebiger Produkte eingesetzt wird, bevor es im Heizkessel landet. 

Domogled Nationalpark, Rumänien - Mai 2016: Frischer Holzeinschlag in einem Buchenurwald im Herzen des Nationalparks. Auf mehr als der Hälfe der Nationalparksfläche findet kommerzielle - und teilweise äußerst brutale - Forstwirtschaft statt: Der gesamt Hang wurde von schweren Maschinen regelrecht umgepflügt, der Boden zerstört, die meisten verbliebenen Bäume wurde verletzt... In fast allen Täldern des einmalig schönen Parks sieht es ähnlich aus... Ancient forest in the southern Carpathians. Logging is happening right at the center of the National Park.
Kahlschläge bewirken CO2-Emissionen aus dem Waldboden.

 Urwälder sind Klimaschützer

Professor Brendan Mackey hat die Frage untersucht, ob die Nutzung oder der Schutz von Naturwäldern mehr zum Klimaschutz beiträgt. Sein klares Fazit: Die Erhaltung von natürlichen Wäldern (“native forests”) tut dem Weltklima deutlich besser – Studie von Brendan Mackey

Urwälder speichern in Bäumen und Böden viel mehr Kohlenstoff als die viel jüngeren Wirtschaftswälder. Werden sie abgeholzt, dann wird CO2 freigesetzt – besonders auch aus den Böden. Diese Emissionen beschleunigen den Klimawandel.

In PR-Kampagnen behauptet die Forstindustrie jedoch, dass nur bewirtschaftete Wälder zum Klimaschutz beitragen würden. In Urwäldern würden sich Aufnahme und Abgabe von CO2 die Waage halten. Einzelne Forst-Interessenvertreter versteigen sich sogar zu Aussagen, dass über Urwäldern “gewaltige Glocken aus CO2” zu orten wären.  Also: weg mit dem Amazonas-Regenwald, um das Klima zu retten?

Natürlich nein!

Urwälder nehmen kontinuierlich CO2 auf, auch im hohen Alter. Dieser Prozess dauert an. Endlos. Wird der Kohlenstoff aus diesen Wäldern durch Abholzung und durch Verbrennung von Energieholz freigesetzt, dann trägt das massiv zum Klimawandel bei. Die Bewahrung von Ur- und Naturwäldern ist daher nicht für die Erhaltung unserer Artenvielfalt wichtig, sondern auch um das Weltklima zu stabilisieren! 

Fagaras Natura 2000 Site, Romania - May 2016: Ancient forest and logging in the southern Carpathians.
Karpaten-Urwald als Klimastabilisator