Urwaldkrimi – das gestohlene Holz

Immer wieder werden Anschuldigungen in Rumänien laut, dass große Mengen Holz illegal eingeschlagen werden. Schätzungen sprechen davon, dass bis 50 Prozent des Holzeinschlages nicht legal erfolgt. Grund dafür sind laut Insidern Gier von Investoren,  Korruption und mangelnde Kontrolle durch die Behörden. Manche sprechen  von einem mafiösen System, das die (durchaus strengen) Gesetze systematisch hintergehe und das den Forstsektor weitgehend beherrsche.

Besonders im Visier von Umweltschützern steht die österreichische Firma „Holzindustrie Schweighofer“. Der Konzern ist der größte Nadelholzverarbeiter Rumäniens und betreibt drei Sägewerke sowie zwei Holzwerke für die Möbelindustrie. Die Firma verarbeitet Holz auch zu Briketts und Holzpellets und verkauft diese in etliche EU-Länder. Jahresumsatz: rund eine halbe Milliarde Euro.

Der österreichische Konzern wird von verschiedenen NGOs seit Jahren wieder als Nutzniesser illegaler Praktiken kritisiert. Der größte Zulieferer von Schweighofer war lange Zeit der staatliche Forstbetrieb „Romsilva“. 2013 wurden gegen die frühere Romsilva-Unternehmensführung unter Adam Craciunescu wegen Korruptions-Vorwürfen Ermittlungen eingeleitet. Ins Visier der Anti-Korruptionsfahnder gerieten auch der frühere Landwirtschaftsminister Ilie Sarbu und der frühere Premier Victor Ponta. Die Regierung trat im Herbst 2015 nach wütenden Protesten gegen den Korruptionssumpf zurück. Die Führung von Romsilva wurde ausgetauscht.

Der Forstexperte Mihail Hanzu berichtet im Film „Clearcut Crimes“ des Anti-Korruptions-Netzwerkes „RISE“-Projekt über einen brisanten Fall: In seinem früheren Job als Forstingenieur bei der Forstverwaltung im Frumoasa-Tal wurde er unfreiwillig Zeuge illegaler Praktiken im großen Stil: Die Inventur-Angaben über den Holzvorrat im Wald waren so manipuliert worden, dass 80 Prozent des geschlagenen Holzes niemals in einem Papier auftauchten. Mihail Hanzu: „Niemand sagte nein dazu, alle nahmen Schmiergeld. Die Abholzungsfirmen kaufen de facto nicht eine bestimmte Holzmenge, sondern das Recht einen Wald zu betreten und auszubeuten. Wenn sie dann mal drin sind, holzen sie alles ab, was sie haben wollen.“ Weil er sich weigerte, Papiere zu unterschreiben, die den Holzvorrat im Wald systematisch zu niedrig einschätzten, erhielt er Morddrohungen.
Er ging daraufhin zum Bürgermeister, der der Forstverwaltung vorstand, um ihn auf die gefälschten Papiere anzusprechen. Doch der sagte nur: „Schau einfach nicht hin.“ Die Anti-Korruptionsbehörde in der Provinzhauptstadt Alba Julia warfen ihn schlichtweg hinaus, als er den Fall melden wollte.

Ende Juni 2016 erschütterte ein brutaler Fall die Öffentlichkeit: Ein Beamter der Grenzpolizei im Kreis Maramures nahe der Ukrainischen Grenze wird während einer Patrouillenfahrt von Forstarbeitern angegriffen und schwer verletzt. Er mußte ins nächste Kreisspital gebracht werden. Die Patrouille war illegalem Holzhandel über die grüne EU-Außengrenze auf die Schliche gekommen…

Im Spätherbst 2014 folgte Gabriel Paun, Präsident der NGO “Agent Green”, einem Holztruck aus dem Retezat Nationalpark bis zum Schweighofer-Sägewerk in Sebes. Ein auf Youtube veröffentlichtes Video zeigt, wie Paun per Telefon bei der Polizei nachfragt, ob der Holztransport legal erfolgt. Eine weibliche Stimme sagt, die Holzlieferung sei „illegal“. Als Gabriel Paun die Wachen am Fabrikstor dann darauf aufmerksam macht, greifen ihn die mit Pfefferspray an und er geht zu Boden.

Im April 2015 präsentierte die US-amerikanische NGO EIA (Environmental Investigation Agency) ein Undercover-Video, das zeigt, wie der EIA-Direktor Alexander von Bismarck Managern von Schweighofer illegales Holz anbietet. In zwei Meetings antworten die jeweils mit der Aussage: „kein Problem“. „Schweighofer ist einer der größten Holzkonzerne Europas und dabei leider auch einer der größten Treiber für illegalen Holzeinschlag in Rumänien“, erklärte Bismarck (Oktober 2015). “Sein ganzes Geschäftsmodell dreht sich ums illegale Holz“, kritisierte er. (Für die Firmenverantwortlichen gilt die Unschuldsvermutung).

Vertreter der Schweighofer-Gruppe dementierten diese Aussagen, sprachen lediglich von „Formfehlern“ bei der Registrierung, stellten eine Gegenstudie ins Netz, warfen der EIA vor, das Material verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen zu haben und verlangten die Herausgabe des ungeschnittenen Videos. Die EIA lehnte letzteres aber aus Gründen des Informatenschutzes ab. Das österreichische Nachrichtenmagazin profil konnte das gesamte Material allerdings exklusiv einsehen: „Es handelt sich um zwei rund einstündige Besuche in Sebeș. (…) ‚Profil‘ konnte inhaltlich keinen Unterschied zwischen der ungeschnittenen und geschnittenen Version erkennen.“

Schweighofer ging in die Offensive, lud Journalisten in sein Werk in Rădăuți ein (Februar 2016), kündigte eine bessere Rückverfolgbarkeit des Holzeinkäufen durch ein neues GPS-System an und gab an, mit NGOs kooperieren zu wollen.

Im November 2015 übermittelte der WWF eine Beschwerde gegen Schweighofer an die Holzzertifizierungsstelle „Forest Stewardship Council“ (FSC) International. Auch gegen die im Jänner 2016 erneuerte FSC-Zertifizierung des Unternehmens durch die österreichische Prüffirma „Quality Austria“ ging der WWF vor. Die hatte das Testat trotz nicht ausgeräumter Vorwürfe erteilt. WWF-Waldexperte Johannes Zahnen: „Derzeit stammen zwar nur zwei Prozent des bei Schweighofer verarbeiteten Holzes aus seinen eigenen FSC-zertifizierten Wäldern. Dennoch kann das FSC-Siegel aberkannt werden, wenn die Geschäftspraxis eines Holzunternehmen mit den ökologischen und Nachhaltigkeitsprinzipien von FSC unvereinbar ist.“ Am 23. Juni 2016 wurde bekannt, dass das FSC-Zertifikat temporär aufgehoben wurde – die österreichische Zertifizierungs-Stelle hätte habe das Zertifikat selber wegen Mängeln suspendiert.

Nach Feststellung von Regel- und Rechtswidrigkeiten verhängte der FSC-Vorstand eine Bewährungsstrafe gegen Holzindustrie Schweighofer (HS). Das FSC stellte fest, dass es klare und überzeugende Beweise gäbe, dass Schweighofer in den illegalen Holzhandel involviert war – einerseits durch den Ankauf von illegalem Holz und andererseits durch entsprechende Aktivitäten innerhalb der eigenen Sägewerke.

Die Untersuchungskommission kam zu dem Punkt, dass das Schweighofer-System unter anderem die Überschreitung des erlaubten Holzeinschlags gefördert hat. Schweighofer sei mit zwielichtigen Unternehmen und Personen in Verbindung gestanden. Die wären wiederum mit Korruption und illegalen Geschäften in Verbindung gestanden. Teilweise sollen diese Unternehmen von Schweighofer auch vorfinanziert worden sein, um ihre dubiosen Geschäfte durchführen zu können. Die FSC-Untersuchungskommission weist auch auf jüngste Berichte und Vorwürfe über die Verwicklungen von Schweighofer in illegale Holzgeschäfte und Korruption in der Ukraine hin.

Fazit: Schweighofer habe die “FSC policy of Association” verletzt. Dass das Unternehmen nicht einfach ausgeschlossen wurde, verdankt es seiner starken Marktposition.
Eine der Auflagen für die weitere Zuerkennung des FSC-Siegels an Schweighofer war, dass die Firma öffentlich ihre Verantwortung für bestimmte Unregelmässigkeiten in der Lieferkette zugibt und sich verpflichtet, die Mängel in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen anzugehen.

Schweighofer-Sprecher Frank Aigner sagte gegenüber Medien (Jänner 2017), dass er dem Bericht in weiten Teilen zustimme; „Es ist grundsätzlich nicht falsch, was drin steht, man muss ihn aber differenziert betrachten.” Schweighofer würde in ein GPS-System investieren, das eine lückenlose Kontrolle des angelieferten Holzes ermöglichen soll. Außerdem sei ein firmeninternes Compliance-Team verdoppelt und etliche Lieferanten suspendiert worden. Außerdem habe man 29 Kontrollen im Wald durchgeführt.

In der Video-Serie “S-Files” legte die EIA Ende 2016 neue Nachweise für abenteuerliche Tricksereien in Rumänien vor: “Geister-Trucks” würden laufend Holz von unmöglichen Herkunftsorten wie Maisfeldern und Friedhöfen an Schweighofer liefern – offenbar wurden die GPS-Daten für die Holzquellen sehr plump gefälscht. ()

Am  17. Februar 2017 gab das Forest Stewardship Council (FSC) schliesslich bekannt, die Zusammenarbeit mit Holzindustrie Schweighofer (HS) zu beenden.  Eine erneute Prüfung der Beschwerde des WWF förderte laut FSC  zwischenzeitlich weitere mögliche Verstöße zutage. Der FSC­-Vorstand entschied daraufhin, dass die Bewährung von HS nicht aufrechterhalten werden kann. 
„Der Rauswurf von Holzindustrie Schweighofer ist ein wichtiges Signal an alle Unternehmen“, reagierte Johannes Zahnen, Referent für Forstwirtschaft beim WWF Deutschland. „Wer die Prinzipien nachhaltiger Forstwirtschaft mit Füßen tritt, darf sich nicht mit einem Siegel schmücken.“ 

Holzindustrie Schweighhofer ist aber nicht das einzige Unterehmen, das Kritik ausgesetzt ist.  Rumänische Umweltschützer vermuten, dass illegale Praktiken im gesamten Holzsektor weit verbreitet sind. Agent Green hat neben Schweighofer auch die Firmen Kronospan, Losan und Massiv aufgefordert, sich öffentlich dazu zu verpflichten,  Holz aus Urwäldern zu verweigern.