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Europaabgeordneter Thomas Waitz und Agent Green werden Zeugen von Abholzungen in rumänischen Natura 2000 Gebieten

Recherchereise von Thomas Waitz, Europaabgeordneter der Grünen (Österreich) mit Agent Green zeigt: der brutale Holzeinschlag in Natura 2000-Gebieten geht trotz EU-Vertragsverletzungsverfahren und Höchstgerichtsentscheidungen ungerührt weiter …

Thomas Waitz, Mitglied des Europäischen Parlaments, und Gabriel Paun, Präsident von Agent Green, haben auf einer Feldmission in Rumänien die Einhaltung der EU Natura-2000-Gesetzgebung überprüft. Dabei wurden sie Zeugen zerstörerischer und illegaler Abholzung an Orten, die eigentlich geschützt sind, darunter auch Gebiete im Domogled-Valea-Cernei-Nationalpark, dem größten Nationalpark Parks Rumäniens und UNESCO-Welterbestätte.

Dort entdeckten sie sogar Abholzungen auf einem staatseigenen Waldgebiet, für das der Oberste Gerichtshof von Bukarest Anfang des Jahres alle Abholzungsgenehmigungen ausgesetzt hatte. Die Fällungen wurden durch das staatliche Forstmanagement Romsilva ausgeübt. Mit anderen Worten: Staatlich bezahlte Förster führen die Zerstörung staatseigener Wälder in einem Nationalpark und Natura 2000-Gebiet durch, obwohl der Oberste Gerichtshof des Landes die Waldbewirtschaftungspläne in genau diesem Teil des Forstreviers ausgesetzt hat.

Gleichzeitig setzt die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den rumänischen Staat fort, nachdem EuroNatur, Client Earth und Agent Green Beschwerden über die systematische Zerstörung der Wälder und den illegalen Holzeinschlag in den Natura 2000-Gebieten Rumäniens eingereicht hatten.

Thomas Waitz und Gabriel Paun verfolgten auch die Spur eines Holztransporters vom Natura 2000-Gebiet Ținutul Pădurenilor zur Fabrik des österreichischen Sägewerks Kronospan in Sebes. Auf dem Hof der Fabrik stapeln sich die Stämme großer Bäume, hauptsächlich Buchen. Kronospan, der weltgrößte Spanplattenhersteller, behauptete lange Zeit auf seiner Website: „Wir stellen sicher, dass die Lieferanten kein Holz aus Nationalparks, Naturreservaten, Urwäldern und anderen Schutzgebieten verwenden.“ Diese Aussage stand offensichtlich in krassem Widerspruch zu den jüngsten Beobachtungen – und wurde wohl deshwalb inzwischen von der Website entfernt (Stand: 3. Dezember 2020) …

Mehr Details hier im Video mit Thomas Waitz und Gabriel Paun:

Trotz Aufhebung der Abholzungsgenehmigungen durch das Höchstgericht wurden hier im Domogled-Valea Cernei Nationalpark und Natura 2000-Gebiet weiterhin wertvolle Wälder abgeholzt.

EU-Kommission warnt Rumänien: Illegale Abholzungen stoppen oder Klage vor EU-Gericht

Die Europäische Kommission fordert die rumänischen Behörden auf, unverzüglich gegen die illegalen Abholzungen von Ur- und Naturwäldern in rumänischen Schutzgebieten vorzugehen

Die Europäische Kommission hat heute eine begründete Stellungnahme veröffentlicht – der letzte Schritt vor der Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen Rumänien. Die Kommission benennt darin das systematische und andauernde Versagen der rumänischen Behörden, die Waldgebiete des Landes zu schützen, die zu den kostbarsten in Europa zählen.

Die begründete Stellungnahme ist eine letzte Aufforderung an die rumänische Regierung, das Problem anzugehen. Wenn die Behörden weiterhin nicht aktiv werden, bringt die Kommission den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH), die höchste juristische Instanz der EU. Der rumänischen Regierung wird ein Monat Zeit gegeben, um auf die Stellungnahme zu reagieren.

Das Einschreiten der Kommission folgt auf eine Serie an Beschwerden, die von den Naturschutzorganisationen EuroNatur, Agent Green und ClientEarth eingebracht wurden. Die Europäische Kommission leitete daraufhin Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien ein.

Die für Wildtier- und Lebensraumschutz zuständige Anwältin von ClientEarth, Ewelina Tylec-Bakalarz, erklärt dazu: „Die Stellungnahme der Kommission zeigt deutlich, dass die rumänische Regierung gegen EU-Recht verstößt, und verlangt daher gezielte Maßnahmen der Behörden zur Verbesserung der Situation. Wenn diese dauerhafte Untätigkeit hingegen fortgesetzt wird, wird sich Rumänien wohl vor dem europäischen Gerichtshof wiederfinden. Die Bedeutung dieser Wälder kann gar nicht unterschätzt werden – und die Stellungnahme der Europäischen Kommission zeigt, wie gravierend die Situation ist.“

Rumänien beherbergt zwei Drittel der Ur- und Naturwälder, die es heute noch in der gemäßigten Klimazone Europas gibt. Diese kostbaren Ökosysteme sind nach EU-Recht als Natura 2000-Gebiete geschützt, werden aber dennoch durch großflächige Abholzungen systematisch zerstört – ohne dass die rumänischen Behörden dagegen vorgehen.

„Es überrascht uns überhaupt nicht, dass das Vertragsverletzungsverfahren auf die nächste Ebene gehoben wird“, sagt Gabriel Paun von Agent Green. „Die illegalen Abholzungen und die Zerstörung von Natura 2000-Gebieten schreitet mit dem stillschweigenden Einverständnis des Umweltministeriums voran. Wenn Rumänien wegen des Verstoßes gegen EU-Recht mit Strafzahlungen belegt wird, müssen die Steuerzahler dafür geradestehen – das ist unfair. Die weitere Weigerung, zu handeln, wäre ein zutiefst verantwortungsloser Zug des Staates.“

EuroNatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer schließt: „Die Kommission lässt keinen Zweifel, dass die Ur- und Naturwälder Rumäniens dringend geschützt werden müssen. Wir hoffen, dass die Kommission rasch handeln wird und Rumänien vor den EuGH bringt, damit der fortschreitenden Waldzerstörung Einhalt geboten wird.“

Illegale, während dem Corona-Lockdown errichtete Straße durch das wilde Sambata-Tal im Natura 2000 Gebiet Fagaras Gebirge

Die Kommission hat außerdem ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien eröffnet. Darin werden die rumänischen Behörden aufgerufen, ihren Verpflichtungen zum Schutz ihrer Natura 2000-Gebiete gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie durch Ausweisung der vorgeschriebenen „Special Areas of Conservation“ nachzukommen.

Genau hingeschaut: Die schockierende Realität der abgeholzten rumänischen Waldwildnis dokumentiert

EuroNatur und Agent Green präsentieren eine Fotodokumentation sowie ein Video, die tiefe Einblicke in das tragische Schicksal der wilden Wälder in Rumäniens Natura 2000-Gebieten geben. Der rumänische Umweltminister scheint unterdessen vom Thema Natura 2000 abzulenken zu wollen …

Am 22. April 2020 haben die NGOs Client Earth, EuroNatur und Agent Green eine Beschwerde über die fortschreitende Zerstörung von Ur- und Naturwäldern in Rumäniens Natura 2000 Gebieten übermittelt. Um die katastrophale Situation dieser besonders wertvollen Wälder auch in Bildern vor Augen zu führen, veröffentlicht EuroNatur nun die Foto-Dokumentation „Natura 2000 and Forests – the Romanian Status Quo“ und das video „Out of Control“, die Einblicke in die harsche Realität in Rumäniens Europaschutzgebieten geben.

Die Fotos entstanden bei Lokalaugenscheinen in den Natura 2000 Gebieten: Fagaras Gebirge, Domogled – Valea Cernei, Nordul Gorjului de Vest, Semenic – Cheile Carasului und Retezat. Sie belegen die fortschreitende Zerstörung von ökologisch äußerst wertvollen Natur- und Urwälder durch Abholzungen.
Die Dokumentation zeigt aber auch Bilder von intakten Naturwäldern, die die außerordentliche biologische Vielfalt und Schönheit dieser Waldgebiete verdeutlichen.

Mehr als 300.000 ha an potenziellen Ur- und Naturwäldern befinden sich in den ausgewiesenen Natura 2000 Gebieten. Das entspricht 5% der Wälder Rumäniens. Der Großteil dieses herausragenden Naturerbes ist aber trotz des Schutzes durch die Bestimmungen der EU-Natura Richtlinien nicht vor Abholzungen sicher sind. EuroNatur, Client Earth und Agent Green haben daher die EU aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Rumänien die EU-Gesetze einhält.

Rumäniens Umweltminister Alexe Costel scheint das Thema Natura 2000 und Waldschutz in Rumänien allerdings nicht so recht zu behagen. Laut einem Beitrag auf seiner Facebook-Seite hat er am 22. April 2020, also dem Tag der Übermittlung der EU-Beschwerde, per Videoschaltung mit dem EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius gesprochen. Das Vertragesverletzungsverfahren wegen der massiven Verstöße gegen Natura 2000 in Rumänien wurde da aber offenbar nicht angesprochen – zumindest findet das Thema in dem Posting keine Erwähnung.

Stattdessen lobt sich der Minister selbst für Verbesserungen des SUMAL-Forstüberwachungssystems. Natürlich ist es eine positive Sache, SUMAL zu verbessern (nach es die Vorgänger-Regierung teilweise demontiert hatte). Da SUMAL jedoch die Legalität der Holzernte überwacht bzw. nachverfolgt, löst dies nicht das Problem der vielen Genehmigungen für die Abholzung von Ur- und Naturwäldern in Nationalparks und Natura 2000-Gebieten.

Die EU hat ja genau deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die rumänische Regierung eingeleitet, weil es deutliche Nachweise für gewaltige ökologische Schäden an geschützten Wäldern (in einem sehr guten Erhaltungszustand) durch Abholzungen gibt. Es wurden vor den Fällungs-Bewilligung keine ernsthaften Naturverträglichkeitsprüfungen durchgeführt. Natura 2000 Schutzgüter wurden durch die Einschläge erheblich verschlechtert. Daher ist es offenkundig, dass die EU-Rechtsvorschriften im rumänischen Forstsektor im großen Stil nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Die Videokonferenz mit dem EU-Umweltkommissar wirkt daher wie eine gezielte PR-Aktion vom ungeliebten Thema Natura 2000 abzulenken. Ob so eine Taktik funktioniert, darf aber angezweifelt werden. Die EU Kommission wird sich von medialen Ablenkaktionen vermutlich nicht beeindrucken lassen…

Download der Dokumentation (auf Bild unten Klicken):

 

Video-Reportage über den Zustand der Ur- und Naturwälder in den rumänischen Natura 2000 Gebieten: