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Übernutzung: Rumänien gehen die hochwertigen Altwälder aus

Rumänische EU-Präsidentschaft 2019: Friedlicher Protest von Umweltaktivisten vor der EU-Klimaexperten-Konferenz in Timisoara von der Polizei gestoppt.

Rumäniens zweite Waldinventur (NFI) zeigt einen alarmierenden Verlust von alten und hochwertigen Wäldern, verursacht durch massiven Holzeinschlag. Nach Angaben der nationalen Inventur, betrug die durchschnittliche jährliche Holzernte zwischen 2013 und 2018 rund 38,6 Millionen Kubikmeter. Aber nur 18 Millionen Kubikmeter davon waren behördlich genehmigt. Die restlichen 20,6 Millionen Kubikmeter Holz sind demnach außerhalb des gesetzlichen Rahmens „verschwunden“.

Ein genauerer Blick auf die vom Ministerium für Wald und Wasser veröffentlichten Statistiken zeigt, dass durch die massive Waldnutzung in Rumänien  Altbestände zunehmend verschwinden und junge Wälder dominieren. Diese haben sowohl wirtschaftlich als auch naturschutzfachlich einen geringeren Wert als reife Bestände.

Um die internationale Aufmerksamkeit auf die eskalierende Waldkrise in Rumänien zu lenken, begrüßten Agent Green Aktivisten die EU-Klimaexperten, die sich am 30. Januar an einer Konferenz zum EGA (Environmental Goods Agreement) in Timisoara trafen, mit einem Bild der Waldvernichtung. Die Aktivisten wurden sofort von der Polizei entfernt…

Werden Rumäniens Wälder zu Wald-„Kindergärten“?

Auf fast 60% der Waldfläche Rumäniens sind die Wälder heute schon jünger als das  gesetzliches Mindestalter für den Holzeinschlag von 80 Jahren  – und können daher nicht genutzt werden. 85% sind jünger als 100 Jahre. Nur 1% der Wälder haben ein Durchschnittsalter von mehr als 160 Jahren. Weitere 2% haben ein Durchschnittsalter zwischen 140 und 160 Jahren. Etwa 8% sind älter als 120 Jahre. Die älteren Wälder haben höhere naturschutzfachliche Werte, da sie alte Bäumen und einen höheren Totholzanteil haben und so Lebensraum für viele weitere Arten bieten.

Urwälder und Quasi-Urwälder sind überwiegend in der ältesten Gruppe (1%- = älter als 160 Jahre) repräsentiert. Der Wert von 2% (141/160 Jahre Wald) umfasst höchstwahrscheinlich die meisten anderen  Naturwälder in Rumänien, einschließlich wertvoller Bestände in Nationalparks und Natura 2000-Gebieten. Diese beiden Kategorien zusammen ergeben rund 207,00 Hektar Wald. Die meisten dieser Wälder sind heute noch immer nicht  streng geschützt und werden „progressiv“ gefällt, was die phasenweise Entfernung aller Bäume einer Waldparzelle bedeutet. Daher sind alle Naturwälder, die heute nicht streng geschützt sind, früher oder später von Liquidation bedroht.

Daraus folgt: Durch den massiven Holzeinschlag wurden die Naturwälder und Altbestände Rumäniens sukzessive in Jungwaldbestände umgewandelt. Rumänien gehen die alten und naturnahen Wälder daher zusehends aus:  nur noch weniger als 3% der Waldfläche fallen in diese Kategorie.
Satellitenbilder aus dem Jahr 1970 (CORONA) belegen, dass noch vor wenigen Jahrzehnten riesige Natur- und Urwälder viele Täler der Karpaten bedeckten.

Diese Zahlen zeigen deutlich die alarmierende Situation: Das außerordentlich wichtige europäische Wald-Naturerbe in Rumänien verschwindet – vor den Augen der EU und der Öffentlichkeit.

Lobbyisten der Unternehmen drängen auf eine Erhöhung der legalen Holzernte

Dennoch argumentieren die Interessengruppen der Forstwirtschaft, dass die NFI Daten auch ein jährliches Wachstum von 58,6 Millionen Kubikmetern (8,46 Kubikmeter pro Hektar) anzeigen und damit der Wald gesund ist und die legale jährliche Holzernte sogar erhöht werden sollte. Es gibt Versuche von Lobbyisten, das gesetzliche Mindestalter der Bäume für die Abholzung von 80 auf 70 Jahre zu senken, um so die Einnahmen zu steigern.

Agent Green läutet die Alarmglocke – beim EGA-Meeting in Timisoara

Am Morgen des 30. Januar informierten Agent Green Aktivisten die internationalen Experten, die an einer Konferenz der EGA (Environmental Goods Agreement) in Timisoara teilnahmen, über die eskalierende Waldkrise in Rumänien. Zwei Aktivisten erwarteten die Delegierten am Eingang. Sie trugen ein überdimensionales T-Shirt, das mit dem Bild eines riesigen Kahlschlags und der Aufschrift „Welcome to Romania“ bedruckt war.
Die EGA-Veranstaltung findet am 30. und 31. Januar unter der rumänischen EU-Präsidentschaft im Rahmen der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens statt und wird vom Kreistag von Timis ausgerichtet.

Die Polizei griff sofort ein und führt die Demonstranten vor den Augen der EU-Experten ab. „Was ihr tut ist nicht schön, was werden die Ausländer über unser Land sagen? Ihr lasst unser Land lächerlich aussehen“, sagte Carmelia Dragomir Bălănică, Vizepräsidentin der nationalen Agentur für Naturschutzgebiete, zu den Aktivisten.

„Wir machen die EGA-Experten, die die EU-Mitgliedstaaten koordinieren, auf die negativen Auswirkungen der massiven Waldnutzung aufmerksam. Denn diese haben üble Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und auf das Klima. Die Ur- und Altwälder spielen eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels, weil sie Treibhausgase aufnehmen und dauerhaft in Form von Kohlenstoff speichern. Nur mehr 8% der Wälder Rumäniens sind noch über 120 Jahre alt und in einem naturnahen Zustand. Im Rest der gibt es noch weniger. Die Ur- und Naturwälder in Rumänien müssen durch ein Moratorium streng geschützt werden“, sagte Gabriel Paun, Präsident von Agent Green.

(alle Bilder: © Minerva VINCZE / Agent Green)

Die rumänische EU-Präsidentschaft im Rampenlicht – und damit auch die Zerstörung der Urwälder

EuroNatur und Agent Green fordern Rumänien und die EU auf, die Urwälder zu schützen. Ein Zähler veranschaulicht die illegale Waldzerstörung in Echtzeit.

Rumänien hat bis 30. Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne – zum ersten Mal seit dem EU-Beitritt. Die Stiftung EuroNatur und die rumänische Naturschutzorganisation Agent Green nutzen diese Gelegenheit, um die internationale Aufmerksamkeit auf das Abholzungsdrama zu lenken: Rumäniens riesige unberührte und natürliche Wälder verschwinden mit erschreckender Geschwindigkeit. Ein Zähler informiert über die Anzahl der illegal in Rumänien geschlagenen Bäume während der Zeit der EU-Ratspräsidentschaft  – seit Jahresbeginn wurden bereits Hunderttausende illegal gefällt, so die Hochrechnung der beiden NGOs.

„Bis heute wurden keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um den dramatischen Verlust dieser einzigartigen Wälder zu stoppen, weder von Rumänien noch von der EU. Deshalb werden EuroNatur und Agent Green das rumänische Walddrama in der Öffentlichkeit bekannt machen. Ein Online-Zähler zeigt die Abholzungskatastrophe während der rumänischen Präsidentschaft in Zahlen und es werden zahlreiche Aktionen stattfinden“, erklärt Gabriel Paun, Präsident von Agent Green.

Rumänien verfügt über schätzungsweise 100.000 – 200.000 ha Urwald, ein Ökosystem, das ansonsten in Europa kaum noch zu finden ist. Solide Zahlen zum rumänischen Urwaldbestand gibt es nicht. Im Dezember 2018 wurden geheim gehaltene Daten aus Rumäniens zweitem Waldinventar an die Medien weitergegeben. Diese Zahlen zeigen ein katastrophales Ausmaß an illegalem Holzeinschlag: die tatsächliche jährliche Holzernte in Rumänien beträgt etwa 38 Mio. m3, während der gesetzlich erlaubte Holzeinschlag (wie in den Forstplänen festgelegt) nur 18 Mio. m3 pro Jahr umfasst. Das illegal geschlagene Holzvolumen ist in Rumänien also größer als das legale. Dies ist in der EU beispiellos. Die Abholzung findet auch in Schutzgebieten statt, wie z.B. in EU-geschützten Natura 2000-Gebieten und Nationalparks.

EuroNatur und Agent Green werden diese groß angelegten Verstöße gegen das EU-Recht aufzeigen, das Ausmaß der Katastrophe mit einem Abholzungs-Zähler parallel zur rumänischen EU-Präsidentschaft anprangern und zivilgesellschaftliche Aktionen anstoßen. So werden Politiker und Delegierte daran erinnert, dass ein äußerst wertvolles europäisches Naturerbe in Rumänien verloren geht.

Zwischen Januar und Juni finden in Rumänien mehrere Ratstagungen, ein EU-Gipfel und zahlreiche andere Veranstaltungen statt. Heute werden sich die Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und die Gemeinschaft der EU Kommissare in Bukarest treffen, um die offizielle Eröffnungszeremonie und ein erstes Treffen mit der rumänischen Regierung abzuhalten.

Die Regierung wird höchstwahrscheinlich versuchen, ein helles und glänzendes Bild des Landes zu vermitteln. Die NGOs hoffen, dass die EU-Ratspräsidentschaft auch zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für die Schattenseiten Rumäniens führen wird: Korruption, Versuche der derzeitigen Regierung, die Anti-Mafia-Staatsregelungen zu schwächen und die Waldkatastrophe.

„Wir werden dafür sorgen, dass diese größte Naturkatastrophe der EU nicht länger ignoriert wird. Die Aufmerksamkeit der EU für Rumänien muss zu entschlossenem Handeln führen“, sagt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.

*** EuroNatur und Agent Green rufen alle europäischen Bürger auf, Maßnahmen zu ergreifen – und die Petition zu unterstützen, sich für den Newsletter und die Aktionsankündigungen zu registrieren und sich der Bewegung anzuschließen. Weitere Details zu den Aktivitäten werden in Kürze veröffentlicht….*****

Zahlreiche Aktionen werden die Politiker während der rumänischen EU-Präsidentschaft an die Waldkrise erinnern. Bitte mitmachen!