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Beschwerde gegen rumänische Regierung bei Aarhus-Konvention und EU-Kommission wegen Abholzungsdesaster

Brasov, Rumänien (8. April 2019) – Die Umweltjuristin von Agent Green kündigte im Rahmen einer Pressekonferenz in Brasov die Einleitung von Beschwerden gegen die rumänische Regierung an.  Die Pressekonferenz fand zeitgleich mit der Konferenz der EU-Umweltdirektoren statt – vor dem Hoteleingang. Grundlage für die Beschwerden sind stichhaltige Beweisen für Verstöße gegen EU-Recht im Zusammenhang mit den dramatischen Abholzungen in den Naturwäldern Rumäniens. In den Beschwerden werden systemische Vergehen Rumäniens aufgezeigt: Forstmanagementpläne einschließlich der Holzeinschlags-Genehmigungen in Natura 2000-Gebieten wurden nämlich standardmäßig ohne Umweltprüfungen und ohne öffentliche Konsultationen genehmigt. Die formelle Beschwerde wird bei der Europäischen Kommission und dem Aarhus Compliance Committee eingereicht.

Die Pressekonferenz fand vor dem Gebäude statt, in dem sich die 28 Naturschutz-Direktoren EU während der rumänischen EU-Präsidentschaft trafen. Die Beamten wurden von Agent Green Aktivisten mit Protestbannern begrüßt und dazu eingeladen, ein Video anzusehen, das die anhaltende Zerstörung von Naturwäldern in Natura 2000 EU-Schutzgebieten belegt. Das Filmmaterial widerspricht klar der Behauptung der rumänischen Regierung, dass alle Gesetze und Vorschriften in den Wäldern Rumäniens eingehalten werden. Die Delegierten und Journalisten konnten aktuelle Flugaufnahmen von riesigen Kahlschlägen im nahe gelegenen Natura-2000-Gebiet Fagaras-Gebirge sehen, die sich über ganze Berghänge erstrecken.

Dezastrul din Munții Făgăraș from AGENT GREEN on Vimeo.

Nach den Bestimmungen der EU-Habitat- und Vogelschutz-Richtlinien sind erhebliche Verschlechterungen für bedrohte Lebensräume und Arten von EU-Natura 2000 Gebieten verboten. Um Schäden für die Schutzgüter zu vermeiden, müssen vor der Umsetzung von „Plänen oder Projekten“ fundierte Umweltprüfungen durchgeführt werden. Nur wenn ein Risiko für gelistete Lebensräume und Arten ausgeschlossen werden kann, darf die Behörde Genehmigungen ausstellen.

„Die rumänische Regierung hat Forstmanagementpläne in Natura-2000-Gebieten genehmigt, noch bevor strategische Umweltprüfungen durchgeführt wurden und entsprechende Beurteilungen der Auswirkungen von Einschlägen gemäß der europäischen Gesetzgebung vorlagen bzw. bevor es naturschutzrechtliche Genehmigungen des Umweltministeriums gab,“ sagte die rumänische Umweltjuristin Catalina Radulescu, die mit Agent Green in dieser Causa zusammenarbeitet.

Die Genehmigung der Forstmanagementpläne vor Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und ohne öffentliche Anhörung verstößt auch gegen die Aarhus-Konvention, die den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten regelt. Demnach müsste vor jeder umweltrelevanten Entscheidung eine öffentliche Anhörung stattfinden – und nicht erst nach der Genehmigung eines Plans oder Projektes.

„Wir fordern die EU-Kommission und das Aarhus Compliance Committee auf, dies in einem schnellen und klaren Vorgehen gegen Rumänien klarzustellen, um den fortschreitenden großflächigen Holzeinschlag in vielen der wertvollsten Natur- und Urwaldbestände Europas innerhalb von Natura 2000-Gebieten zu beenden,“ betonte Catalina Radulescu.

Rumänien beherbergt das größte natürliche und teilweise unberührte Waldnaturerbe innerhalb der gemäßigten Klimazone der EU. Mehrere Hunderttausend Hektar dieser Wälder mit hohem Schutzwert befinden sich in Natura 2000-Gebieten, sind aber nicht ausreichend geschützt. So arbeiten Agent Green und die in Deutschland ansässige Stiftung EuroNatur zusammen, um das systemische Versagen der rumänischen Regierung bei der ordnungsgemäßen Umsetzung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 aufzuzeigen.

Die rumänische Regierung verweigert allerdings den Zugang zu relevanten Umweltinformationen. Das bedeutet, dass die Organisationen bisher keine Möglichkeit hatten, harte Beweise für jene systemische Missachtung der EU-Gesetze zu liefern, die in vielen der rumänischen Natura-2000-Gebiete mit freiem Auge erkennbar eindeutig erkennbar sind. Aus diesem Grund konnte bisher keine formelle Beschwerde wegen Verstößen gegen Natura 2000 bei der Europäischen Kommission eingereicht werden.

„Die Zerstörung der alten und unberührten Wälder Rumäniens ist auf Satellitenbildern und vor Ort deutlich sichtbar. Um eine Beschwerde einreichen zu können, ist es aber notwendig, einen dokumentierten Nachweis zu erbringen, dass Verstöße gegen die Naturschutzrichtlinien vorsätzlich und andauernd sind. Die rumänische Regierung beschränkt jedoch den Zugang zu relevanten Umweltinformationen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Die rumänische Justiz unterstützt dieses Verhalten. So führen wir derzeit 32 Gerichtsverfahren durch, nur um Zugang zu den Waldwirtschaftsplänen zu erhalten. Der Zugang zu diesen Dokumenten ist der Schlüssel und wichtig zur Überprüfung der Übereinstimmung der Forstbewirtschaftungspläne mit den Natura 2000-Bewirtschaftungsregelungen zur Erhaltung der aufgeführten zu schützenden Lebensräume und Arten. Da das Gericht in einigen Fällen entschieden hat, diese Informationen weiterhin geheim zu halten, haben wir keine andere Wahl, als diesen Fall zum Aarhus Compliance Committee wegen Verletzung sowohl des Zugangs zur Information als auch der Säulen der öffentlichen Konsultation zu eskalieren. Wir sind zuversichtlich, dass Aarhus der rumänischen Justiz entgegen treten und sie berichtigen wird“, sagte Gabriel Paun von Agent Green.

Raising the Alarm for Romanian Forests from AGENT GREEN on Vimeo.

Die rumänische EU-Präsidentschaft im Rampenlicht – und damit auch die Zerstörung der Urwälder

EuroNatur und Agent Green fordern Rumänien und die EU auf, die Urwälder zu schützen. Ein Zähler veranschaulicht die illegale Waldzerstörung in Echtzeit.

Rumänien hat bis 30. Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne – zum ersten Mal seit dem EU-Beitritt. Die Stiftung EuroNatur und die rumänische Naturschutzorganisation Agent Green nutzen diese Gelegenheit, um die internationale Aufmerksamkeit auf das Abholzungsdrama zu lenken: Rumäniens riesige unberührte und natürliche Wälder verschwinden mit erschreckender Geschwindigkeit. Ein Zähler informiert über die Anzahl der illegal in Rumänien geschlagenen Bäume während der Zeit der EU-Ratspräsidentschaft  – seit Jahresbeginn wurden bereits Hunderttausende illegal gefällt, so die Hochrechnung der beiden NGOs.

„Bis heute wurden keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um den dramatischen Verlust dieser einzigartigen Wälder zu stoppen, weder von Rumänien noch von der EU. Deshalb werden EuroNatur und Agent Green das rumänische Walddrama in der Öffentlichkeit bekannt machen. Ein Online-Zähler zeigt die Abholzungskatastrophe während der rumänischen Präsidentschaft in Zahlen und es werden zahlreiche Aktionen stattfinden“, erklärt Gabriel Paun, Präsident von Agent Green.

Rumänien verfügt über schätzungsweise 100.000 – 200.000 ha Urwald, ein Ökosystem, das ansonsten in Europa kaum noch zu finden ist. Solide Zahlen zum rumänischen Urwaldbestand gibt es nicht. Im Dezember 2018 wurden geheim gehaltene Daten aus Rumäniens zweitem Waldinventar an die Medien weitergegeben. Diese Zahlen zeigen ein katastrophales Ausmaß an illegalem Holzeinschlag: die tatsächliche jährliche Holzernte in Rumänien beträgt etwa 38 Mio. m3, während der gesetzlich erlaubte Holzeinschlag (wie in den Forstplänen festgelegt) nur 18 Mio. m3 pro Jahr umfasst. Das illegal geschlagene Holzvolumen ist in Rumänien also größer als das legale. Dies ist in der EU beispiellos. Die Abholzung findet auch in Schutzgebieten statt, wie z.B. in EU-geschützten Natura 2000-Gebieten und Nationalparks.

EuroNatur und Agent Green werden diese groß angelegten Verstöße gegen das EU-Recht aufzeigen, das Ausmaß der Katastrophe mit einem Abholzungs-Zähler parallel zur rumänischen EU-Präsidentschaft anprangern und zivilgesellschaftliche Aktionen anstoßen. So werden Politiker und Delegierte daran erinnert, dass ein äußerst wertvolles europäisches Naturerbe in Rumänien verloren geht.

Zwischen Januar und Juni finden in Rumänien mehrere Ratstagungen, ein EU-Gipfel und zahlreiche andere Veranstaltungen statt. Heute werden sich die Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und die Gemeinschaft der EU Kommissare in Bukarest treffen, um die offizielle Eröffnungszeremonie und ein erstes Treffen mit der rumänischen Regierung abzuhalten.

Die Regierung wird höchstwahrscheinlich versuchen, ein helles und glänzendes Bild des Landes zu vermitteln. Die NGOs hoffen, dass die EU-Ratspräsidentschaft auch zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für die Schattenseiten Rumäniens führen wird: Korruption, Versuche der derzeitigen Regierung, die Anti-Mafia-Staatsregelungen zu schwächen und die Waldkatastrophe.

„Wir werden dafür sorgen, dass diese größte Naturkatastrophe der EU nicht länger ignoriert wird. Die Aufmerksamkeit der EU für Rumänien muss zu entschlossenem Handeln führen“, sagt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.

*** EuroNatur und Agent Green rufen alle europäischen Bürger auf, Maßnahmen zu ergreifen – und die Petition zu unterstützen, sich für den Newsletter und die Aktionsankündigungen zu registrieren und sich der Bewegung anzuschließen. Weitere Details zu den Aktivitäten werden in Kürze veröffentlicht….*****

Zahlreiche Aktionen werden die Politiker während der rumänischen EU-Präsidentschaft an die Waldkrise erinnern. Bitte mitmachen!