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Entdeckung einer illegalen Straße in einem der wildesten Gebirgstäler Europas – Rumänien

 

Illegale Straße durch das unberührte Sâmbăta-Tal in Rumäniens Făgăraș Montains Natura 2000-Gebiet

Vor einigen Wochen war das Sâmbăta-Tal (Provinz Sibiu) noch ein wahres Paradies: ausgedehnte alte Wälder, abgelegene Bergkämme, seltene Tiere (einschließlich Wölfen, Bären und Fischottern). Keine Straße führte durch das Tal, lediglich ein romantischer Wanderweg unter großen, mit Moos bedeckten Bäumen. Doch seit einigen Wochen gehört diese Idylle der Vergangenheit an: Ein lokaler Waldbesitzer grub mit einer Planiermaschine eine Straße entlang des einst klaren Flusses, der durchs Tal führt. Hierbei zerstörte er die vorher mit wilden und artenreichen Bergwäldern bedeckten Ufer und Hänge.
Dies ist jedoch nur der Anfang: Voraussichtlich werden bald Forstmaschinen in das Tal eindringen. Durch die brutal in den Wald geschnittene Straße haben sie einen verbesserten Zugang zu den großen alten Bäumen, die dort seit Jahrhunderten wachsen. Somit könnte dieser Märchenwald, der an Filmszenen aus Peter Jacksons „Herr der Ringe“ erinnert, bald verschwunden sein. Tragischerweise ist Sâmbăta nicht das einzige wilde Tal in Rumänien, das während der Corona-Krise trotz starker Ausgangsbeschränkungen illegal zerstört wurde.

Lokale Aktivisten*innen entdeckten die neue Straße und forderten eine Inspektion durch Beamte der Forstbehörde in Brasov. Deren Reaktion überraschte und schockierte die Aktivisten*innen: Es seien keine Genehmigungen erforderlich, da (angeblich) bereits eine alte Straße existierte, die nur repariert wurde. Diese Behauptung widerspricht eindeutig den Tatsachen: Bilder aus früheren Jahren beweisen, dass es keine Straße gab; stattdessen unberührte Wildnis mit Bergahorn, Buchen und Fichten. Auch die Karten des Gebiets zeigen keine Straße.
Dies lässt die Frage offen, warum die Forstbeamten diese nicht genehmigte Straße verteidigen und warum sie den lokalen Waldbesitzer, der dieses illegale Projekt vorangetrieben hat, decken.
Sehr fragwürdig ist auch, dass dies in der Zeit geschah, in dem die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen vorsätzlicher und systematischer Verstöße gegen die EU-Gesetzgebung durch weitverbreitete Abholzung und Zerstörung natürlicher Ökosysteme in Natura 2000-Gebieten gegen den rumänischen Staat eingeleitet hat. Die Natura 2000- Vorgaben (FFH- und Vogelschutzrichtlinie) verlangen, dass vor jedem Eingreifen in diese Schutzgebiete obligatorische Umweltprüfungen durchgeführt werden müssen, um das Risiko einer Verschlechterung des ökologischen Erhaltungszustands der aufgeführten Lebensräume und Arten auszuschließen.

Bisher bekannte Fakten:
Die neue unbefestigte Straße erstreckt sich über ca. 1,5 km, ist 3-4 m breit und wurde zwischen März und Mai 2020 gebaut.
Sie verfügt weder über eine Baugenehmigung und eine angemessene Umweltprüfung, noch über die Zustimmung des Natura 2000-Standortverwalters zu Arbeiten in geschützten Lebensräumen. Auch fehlen die Genehmigungen der Waldwache zum Abholzen in Gebieten, die im Rahmen der Pin Matra-Studie als „Urwälder“ kartiert wurden, und des Umweltministeriums für Waldarbeiten in Gebieten, die offiziell für Einschlussstudien in das Schutzsystem des „Nationalen Katalogs der Ur- und Quasi-Urwälder“ vorgeschlagen wurden. Es ist eine lange Liste auffälliger Beweise für offensichtliche Verstöße gegen die Gründe für die Ausweisung dieses sehr geschützten Gebiets.
Die Arbeiten wurden durchgeführt, ohne dass die lokale Bevölkerung darüber informiert wurde.
Das Tal beherbergt große Gebiete alter Wälder mit hohem biologischem Wert (erforscht im Rahmen des Projekts REMOTE Primary Forests).

Laut der NGO Agent Green ist dies die Liste der illegalen Handlungen/Aktivitäten:

1. Unerlaubter Straßenbau ohne ordnungsgemäße Baugenehmigung
2. Unerlaubter Straßenbau ohne ordnungsgemäße Umweltprüfung
3. Unerlaubter Straßenbau ohne Zustimmung des Zuständigen des Natura 2000-Gebiets
4. Illegale Änderung der Landnutzungskategorie von Wald zu Straße
5. Störung des Waldökosystems und geschützter Arten durch den Straßenbau
6. Nicht autorisierter Straßenbau in Waldbeständen, die in der Studie „Pin Matra“ als Urwälder identifiziert wurden
7. Unerlaubte Schäden an Natura 2000-geschützten Lebensräumen und Arten, wobei die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung einer angemessenen Bewertung vor jedem Eingriff ignoriert wurde (Bewertung der möglichen Auswirkungen auf die Natur)
8. Unerlaubte Straßenbau durch das Flussbett des Sâmbăta und seiner Nebenflüsse
9. Zerstörung des Bodens und Versetzung von Felsen am Rande von Wasserläufen und im Wald
10. Zurücklassen gefällter Bäume im Flusslauf und in Bächen
11. Nicht autorisierte Abholzung von Bäumen in vorrangigen Natura 2000-Lebensräumen, in Pin Matra-Polygonen und in potenziellen Urwäldern, die in der offiziellen Liste des Umweltministeriums aufgeführt sind
12. Schädigung des Status geschützter Arten und Lebensräume

Im Zusammenhang mit dem EU Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien wegen Waldnutzung in geschützten Lebensräumen ohne angemessene Bewertung ist es sehr besorgniserregend, dass die neue Straße sogar durch potenzielle „vorrangige Lebensräume“ gebaut wurde, die in der gesamten EU streng geschützt sind – insbesondere: 91E0 * – Erlen-Eschen- und Weichholzauenwälder und 9180 * – Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion).

Darüber hinaus wurde die illegale Straße direkt durch die Lebensräume mehrerer geschützter Arten wie etwa Wolf und Fischotter gebaut, Zielarten des ausgewiesenen Natura 2000-Gebiets. Außerdem wirkt sich der Straßenbau stark auf den Sâmbăta Fluss aus und hat damit auch negative Auswirkungen auf die dort lebenden Fischarten, wie beispielsweise die Groppe.

Agent Green wird Beschwerden gegen den Straßenbau einreichen. Wir sind überzeugt, dass die Umweltwache und die Nationale Agentur für Naturschutzgebiete direkt dafür verantwortlich sind, diese eindeutigen Gesetzesverstöße zu untersuchen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die den Straßenbau zu verantworten haben. Zudem müssen die Verantwortlichen dafür Sorge tragen, das betroffene Gebiet wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Dieses skandalöse Beispiel unterstreicht auch die dringende Notwendigkeit einer EU-Intervention, da die rumänischen Behörden offenbar weder in der Lage noch bereit sind, solche Umweltverbrechen zu bekämpfen.

 

Abholzungen im rumänischen Fagaras-Gebirge bedrohen Urwaldforschung

Das REMOTE-Projekt (REsearch on Mountain TEmperate Primary Forests) veröffentlichte einen beunruhigenden Bericht: die Urwälder im Fagaras-Gebirge in den rumänischen Karpaten verschwinden. Auch die Wissenschaft ist betroffen…

In Rumäniens höchsten Bergen, dem Fagaras-Gebirge, findet sich einer der größten Urwald-Cluster  der EU. Wissenschaftler aus der Tschechischen Republik und der Slowakei schätzen die Gesamtfläche der Primärwälder in dem Gebiet auf rund 10.000 Hektar. Darüber hinaus sind weitere ausgedehnte Flächen mit anderen wertvollen Naturwäldern bedeckt, die „sich mit Primärwaldstandorte zu größeren Komplexen von hoher Natürlichkeit verbinden“. Daher verdienen die Fagaras-Berge „besondere Aufmerksamkeit und Schutz“.

Das REMOTE-Projekt ist eines der größten Urwaldforschungs-Projekte weltweit

Um in die Vergangenheit von Wälder zu sehen, untersuchen Forscher die Anzahl und Struktur der Jahresringe. Daraus läßt sich ablesen, wie alt die Bäume sind und die Dicke der Jahrsringe zeigt an, wie stark das Wachstum war.

Das REMOTE-Forschungsprojekt umfasst eines der größten dendrochronologischen (= Baumalter-) Urwaldforschungsprogramme der Welt. Es handelt sich um eine langfristige internationale Forschungskooperation unter der Leitung des Instituts für Waldökologie an der Fakultät für Forst- und Holzwissenschaften der Tschechischen Universität für Biowissenschaften in Prag.

Das umfangreiche wissenschaftliche Forschungsprogramm startete im Jahr 2010. Im Rahmen des Projekt werden Urwälder auf Basis eines Netzwerks permanenter Stichprobenflächen (definierte Forschungsflächen) über einen großen Bereich von Primärwäldern in neun Ländern in Mittel-, Ost- und Südosteuropa über einen langen Zeitraum untersucht.

Die Hauptziele der Forschung sind die Durchführung von „räumlichen und zeitlichen Analysen, die sich auf verschiedene Aspekte von Störregimen in Primärwäldern konzentrieren“ sowie die Durchführung von dendrochronologischen Studien. Mit anderen Worten: Die Wissenschaftler messen die Auswirkungen von Störungen (wie Windbrüche, Insektenbefall usw.) auf unberührte Wälder über einen langen Zeitraum und sammeln Daten über das vergangene Baumwachstum anhand von Baumringen einzelner Bäume. Hierbei werden die Daten jeweils in den permanenten Stichprobenflächen entnommen und geben so Aussagen über die zeitliche Veränderung und somit Aufschluss über die Auswirkungen der Ereignisse oder Störungen.

Derlei Studien wurden nie zuvor in dieser Größenordnung und in einem so großen geografisches Gebiet durchgeführt. Die Datenbank von REMOTE ist eine der größten zu diesem Thema weltweit.

Urwaldforschung zur Unterstützung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung

Das REMOTE Projekt zielt darauf ab, die natürliche Dynamik der Primärwälder zu verstehen und dann zur Entwicklung nachhaltiger Forstwirtschaftspraktiken beizutragen. Ziel ist eine Waldbewirtschaftung, die Holz produziert und gleichzeitig auch die Biodiversität und die Ökosystemleistungen erhält.

Es wurden mehrere hundert permanente Studienflächen  eingerichtet, die über einen langen Zeitraum ausgewertet werden. Bei anstrengenden Exkursionen in die (teilweise weglose) Karpatenwildnis werden regelmäßig Daten gesammelt und verglichen. Das Projekt liefert somit ein besseres wissenschaftliches Verständnis der Langzeit-Veränderungsdynamik von Urwäldern. Die Daten umfassen Messungen von Veränderungen der Waldstruktur, Lebensräumen seltener Arten sowie Messungen des individuellen Baumwachstums. Das Projekt hat eine Datenbank mit Tausenden von Einzelbäumen aufgebaut.

In den Fagaras-Bergen wurden in elf abgelegenen Tälern etwa 200 Forschungs-Plots eingerichtet. Die Wissenschaftler haben mehrere Urwaldgebiete von über 1000 Hektar identifiziert. Solche völlig abgeschiedenen Urwaldtäler gibt es nirgendwo sonst mehr in der gemäßigten Klimazone der EU. Sie sind ein wichtiger Lebensraum für viele geschützte Arten – darunter Bären, Luchse, Wölfe, Auerhähne, Eulen, Spechte und Totholz bewohnende Käfer.

Galerie: Forschungsarbeiten des REMOTE-Projektes im Fagaras-Gebirge

Das wildeste Gebirgstal Europas: Boia Mică in Süd-Fagaras

Eines der herausragendsten Urwaldtäler ist Boia Mică. Das Tal hat eine Fläche von 1.145 ha mit einer Höhendifferenz von 1.670 m auf einer Länge von 7,5 km. Das Tal ist völlig unberührt: Es gibt nicht einmal einen Weg, nur Trittpfade von Bären und anderen Tieren. „Dies ist wahrscheinlich einer der ältesten Wälder Rumäniens. Wir haben 37 Bäume über 300 Jahre, 10 Bäume über 400 Jahre und 1 Baum über 500 Jahre auf nur 14 zufällig ausgewählten Studienflächen in Boia Mică gemessen „, berichtet REMOTE-Koordinator Martin Mikoláš.

Die Forscher des REMOTE-Projekts fanden im Boia Mica-Tal eine außergewöhnlich hohe Konzentration sehr alter Bäume – mit zahlreichen Buchen, die älter als 400 Jahre sind.

Boia Mica: weglose Wildnis wie hier gibt es in Europa fast nicht mehr.

Wälder mit hohem wissenschaftlichem und naturwissenschaftlichem Wert unter unmittelbarer Einschlagsgefahr

Die Projektergebnisse unterstreichen den Wert dieses einzigartigen und riesigen Komplexes von Primärwäldern. Urwälder sind nicht nur für Wissenschaftler und Biodiversität von hohem Wert – sie tragen auch zum Klimaschutz bei, indem sie große Mengen an Kohlenstoff speichern. Sie sind wichtig für die Regulierung des Wasserkreislaufs und stabilisieren die Berghänge. Wenn sie zerstört werden, dauert es Hunderte von Jahren dauern, bis sie sich wieder regenerieren und wieder eine vergleichbare Qualität aufweisen. Dies gilt insbesondere für das Hochgebirge.

„Primärwälder und Naturwälder sind so selten, dass wir weitere Verluste verhindern müssen. Nicht nur in den Tropen, sondern auch in Europa“, erklärt Martin Mikoláš.

In der Vergangenheit waren diese wilden Wälder im Normalfall schlicht durch ihre Unzugänglichkeit geschützt. Aber das ändert sich schnell: Waldwege und Holzfäller dringen in die Täler, sogar in das Herz der Natura 2000 Gebiete. Einige der ersten Parzellen, die das REMOTE Team für das Projekt ausgewählt hatte, wurden zusammen mit dem umgebenden Wald bereits zerstört. Im Fagaras-Gebirge wurden in den letzten 10-15 Jahren mitunter riesenhafte Kahlschläge im Bergwald durchgeführt (viele davon größer als 50 ha), die die gesamte Landschaft zerstören und den vollständigen Verlust von Lebensräumen mit hohem Schutzwert mit sich bringen. Die Wissenschaftler fordern daher einen strengeren Schutz.

Abholzung in einem bislang nicht kartieren Fichtenurwald im Ucea Mare-Tal.

Unvollständige Kartierung der Primärwälder, bürokratische Hindernisse und inkonsistente Erhaltung 

Der WWF Rumänien hat zahlreiche Kartierungen von Primärwäldern durchgeführt, um sie in den „Nationalen Katalog der Urwälder“ aufzunehmen und so dauerthaft zu bewahren. Auch im Fagaras-Gebirge wurden tausende Hektar Urwald kartiert. Der WWF hat bisher in den nördlichen Tälern kartiert.

Die REMOTE-Wissenschaftler entdeckten jedoch weitere Urwälder, die sich nicht in der WWF-Kartierung wiederfinden. Diese Urwälder sind derzeit daher überwiegend nicht  ausreichenden geschützt (trotz Natura 2000 Widmung). Und ihre Abholzung droht.

Ein Hauptproblem ist, dass die rumänischen Kriterien für die Identifizierung und den Schutz von Urwäldern extrem streng sind. Bei rigider Anwendung durch die Behörden, ist es daher ein Leichtes, Nichterfüllung von Kriterien zu attestieren und die Wälder von einer  Unterschutzstellung auszuschliessen. Viele bedeutende Urwaldgebiete wurden in den letzten Jahren bereits zerstört.

Überblick über die Täler Arpaselu, Arpasul, Ucea Mare und Ucisoara: Längst nicht alle Urwälder sind kartiert. Weiße Polygone: vom WWF kartiert, rote Polygone: nicht kartierter Urwald, grüne Punkte: permanente Forschungsplots.

Primäre Fichtenbestände im Sambata-Tal mit permanenten Untersuchungsflächen: nicht kartiert, nicht geschützt.

Mit diesem offiziellen rumänischen Schutzprogramm „Urwaldkatalog“ sind jedoch weitere Probleme verbunden: In den Forstmanagementplänen der Forstbetriebe wird das Durchschnittsalter der Waldparzellen oft „unterschätzt“. Und junge Wälder können ja keine Urwälder sein. Infolgedessen akzeptieren die Behörden diese Wälder dann nicht als „Urwald“.

Die Bewirtschaftungspläne erlauben auch oft den Holzeinschlag in Teilen der Waldparzellen. Nach einem Holzeinschlag ist das Waldgebiet natürlich nicht mehr unberührt und gilt nicht mehr als Urwald. Ergo lehnen die Behörden  die Einbeziehung des Waldes als „Urwald“ somit ab, einschließlich der  noch intakten Teile der betroffenen Waldparzellen.

Auch innerhalb bereits aufgenommener Parzellen finden Abholzungen statt, wenn die Eigentümer den Schutz nicht akzeptieren. Im Belia-Tal zum Beispiel findet sich nun ein großer Kahlschlag (20 Hektar) und mehrere Kilometer neue Forststraßen mitten im Primärwald.

Und oft dauert es sehr lange, bis die eingereichten Waldflächen in den „Katalog“ aufgenommen werden, weil die Genehmigungsverfahren (Forstbehörden, Ministerium) oft jahrelang dauern und  Gutachten von Experten wiederholt abgewiesen oder (bürokratische) Ergänzungen nachgefordert werden.

Seit Inkrafttreten des „Katalogs“ – so der WWF Romania, Greenpeace Romania und Foundation Conservation Carpathia – wurden zwischen 3.000 und 5.000 Hektar der Wälder im Fagaras Gebirge aufgenommen. Aber es gibt weitere 6.000 und 7.000 Hektar Urwald. Und die sind akut bedroht, solange sie nicht in den Katalog aufgenommen wurden.

Galerie: Viele Primärwälder im Fagaras-Gebirge wurden bisher nicht kartiert und sind daher völlig ungeschützt. Wertvolle Untersuchungsflächen des REMOTE-Projekts sind daher akut gefährdet…

 

Angriff gegen Forscher-Auto bei einem Waldwanderung

Im Sommer 2018 verbrachten die Wissenschaftler mehrere Wochen in der Wildnis des Fagaras-Gebirges. Als sie von einer Urwald-Wanderung zurückkehrten, mußten sie feststellen, dass die Reifen ihres Autos (geparkt außerhalb eines Schrankens) augestochen waren. Das ist äußerst beunruhigend, zumal das Fagaras-Gebirge auch ein bedeutendes touristisches Hoffnugsgebiet ist.  Was kommt als Nächstes?
(Die Feldarbeit der REMOTE-Forscher basiert natürlich auf behördlichen Genehmigungen.)

Medien und NGO-Berichten zufolge scheint illegaler Holzeinschlag in vielen Gebieten Rumäniens statt zu finden. Tourismus ist eine wichtige wirtschaftliche Perspektive für viele abgelegene Gebiete in den Karpaten. Angriffe auf ausländische Besucher machen diese Option aber wohl zunichte.

Ein umfassender Schutz größerer Waldflächen ist entscheidend.

Die REMOTE-Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass sofort Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Verlust dieser international wichtigen Urwälder zu stoppen.
Sie weisen darauf hin, dass es unbedingt vermieden werden muss, ein fragmentiertes System von geschützten Wäldern zu schaffen, zwischen denen intensiver Holzeinschlag die ökologischen Werte weitgehend liquidiert.

Um die ökologische Integrität dieser Waldlebensräume (und ihrer bewohnenden Arten) zu erhalten, ist ein umfassender Schutz größerer, miteinander verbundener Waldökosysteme erforderlich. Daher sollte der Schutz auch Naturwälder umfassen, die nicht der strengen gesetzlichen Definition von „Urwald“ in Rumänien entsprechen, um so ein besser vernetztes Lebensraumosaik zu schaffen.

Nur der Schutz größerer Waldlandschaften wird verhindern, dass die Wälder des Fagaras Gebirges – wie andere geschädigte Wälder überall sonst in Europa – enden: isolierte Bruchstücke von Naturwäldern, die durch große Flächen industrieller Forstwirtschaft getrennt sind – einschließlich Kahlschläge, Monokulturen und sonstige nicht-natürliche Baumbestände.

Diese Art von geschädigter Landschaft zerstört nicht nur unser Naturerbe, sondern schädigt auch die Ökosysteme, sodass sie keine Ökosystemleistungen mehr erbringen können, so die REMOTE-Wissenschaftler.

Um den vollständigen Bericht (von Martin Mikoláš und Ondrej Kameniar) zu lesen,  bitte hier klicken.

Interesse an mehr Informationen? Hier geht es zum Bericht: „Where are Europe’s last primary forests?“

Sie können dazu beitragen, den größten Komplex von Primärwäldern innerhalb der gemäßigten Zone der EU – das Fagaras Gebirge – und andere Naturwälder in Rumänien zu schützen: Bitte unterschreiben Sie unsere Petition und leiten Sie diese Geschichte an Freunde weiter!

Zerstörter Wald im Ucisoara-Tal: Helfen Sie mit, diese einzigartigen Wälder und die wichtige REMOTE-Forschungsarbeit zu retten!

Uralte Wunderwelt im Arpasul-Tal: Wildnis dieser Qualität ist in Europa fast ausgestorben. Bitte helfen Sie mit, diese Paradieswälder zu bewahren!

 

Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützt rumänische Urwald-Experten

Internationale Wissenschaftler-Exkursion in rumänische Urwaldgebiete

Im August 2017 besuchte Prof. Dr. Rainer Luick (Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg – HFR, Deutschland) Urwälder in den rumänischen Karpaten. Zusammen mit rumänischen Wissenschaftlern und dem Koordinator des HFR Forschungsvorhabens, Matthias Schickhofer, war er in Projektgebieten, die im Rahmen eines von der HFR getragenen Forschungsprojektes zur Ausweisung von Urwaldschutzgebieten derzeit untersucht werden. Das Projekt “Virgin and old growth forests in Romania“ wird finanziell von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Mehrere Teams rumänischer Wissenschaftler kartieren und dokumentieren in den kommenden beiden Jahren im Rahmen des Vorhabens Waldgebiete, die nach den nationalen Kriterien potentielle Urwaldschutzgebiete sind. Auf Grundlage der Studien wird es dann hoffentlich möglich sein, möglichst viele dieser letzten europäischen Urwälder langfristig zu sichern.

Ein Fokus in der Kampagne 2017 sind Waldgebiete in den südlichen Fagarascher Alpen. Während in den Hochlagen der Gebirge schon seit sehr langer Zeit oft eine traditionelle Weidewirtschaft betrieben wird, wurden die steilen Täler kaum oder gar nicht erschlossen. Dort sind an beiden Hangflanken und auch entlang der Flüsse großflächige Wald- Wildnisgbiete erhalten geblieben. Besonders spektakulär sind die Wildnistäler Boia Mica und Laitei. Leider sind diese Urwaldgebiete – wie viele andere auch – derzeit nicht wirksam geschützt und Holzeinschlag, der in Rumänien oft in großflächigem Kahlschlag erfolgt – könnten jederzeit stattfinden. Gutachten im Rahmen des Projektes erstellt werden, sollen nun den Weg zu einer Unterschutzstellung ebnen.

Eine große Hilfe bei den Arbeiten ist die räumliche Orientierung mittels Drohnen, die für das Forschungsprojekt beschafft wurden. Es ist faszinierend, wie diese Insekten-gleichen High-Tech Fluggeräte selbst in einem dichten Waldbestand in einem engen Lichtschacht aufsteigen können und aus bis zu 500 m Höhe spektakuläre Aufnahmen über diese wertvollen europäischen Urwälder ermöglichen. So können sogar problemlos die Baumhöhen bestimmt werden und erlauben Einblicke in den Mikrokosmos der Kronenregionen der bis zu 60 m hohen Bäume; Lebensräume, die vom Boden nicht beurteilt werden können. Ion Holban (M.Sc) ist mittlerweile ein virtuoser Drohnenpilot, dem wir die spektakulären Bildsequenzen verdanken und der sie zu kleinen Dokumentationen der Untersuchungsgebiete animiert hat.

Fliegen Sie mit Ion Holban über einige der letzten Urwälder Europas:

Valea Curpanului:
youtu.be/mdV6bbx64Mw
youtu.be/2PLGlpGXUrc  
youtu.be/hv5JicvpWDA

Valea Laitei:
youtu.be/1T93U9pIim4

Baraolt Mountains:
youtu.be/kAG0MFRs4z8
youtu.be/YLVoZzqo6CQ
youtu.be/tYOKktTxkLI
youtu.be/_Bcuu4HZato

Wie vor 5000 Jahren: Traumhaftes Boia Mica-Tal.

Hintergrund

Weniger als 1% aller europäischen Wälder vermitteln noch ihr ursprüngliches Aussehen und ihre faszinierende biologische Vielfalt. Der Großteil aller noch erhaltenen großflächigen europäischen Urwälder (außerhalb von Russland) liegt im Karpatenbogen und hier in erster Linie in den rumänischen Karpaten. Dort gab es noch um das Jahr 2000 geschätzt 200.000 ha Wälder mit sehr unterschiedlichen Waldtypen, die über Jahrtausende ohne Nutzungseinfluss waren, bzw. nur marginale Spuren historischer Nutzungen aufweisen (so genannte “Quasiurwälder”). Mit dem EU Beitritt und nach dem Engagement von ausländischen Holzkonzernen, die überwiegend aus Österreich und Deutschland stammen, sind diese Urwaldflächen massiv geschrumpft. Massive illegale und auf zweifelhafte Weise “legalisierte” Einschläge, aber auch ein vielfach nur in der Theorie bestehender Schutzstatus, sind die Ursachen.

Die bis Dezember 2016 amtierende Übergangsregierung, namentlich die für den Forstbereich zuständige Staatssekretärin Erika Stanciu, hat gesetzliche Verbesserungen für einen wirksameren Schutz der Urwälder auf den Weg gebracht. Rumäniens Urwälder sind  zwar (seit dem Forstgesetz 2008) an sich „geschützt“, aber die Abholzungen schreiten trotzdem in einem bedrückender Tempo voran. Die Listung der Gebiete im nationalen „Urwaldkatalog“ soll einen umfassenden und dauerhaften Schutz sicherstellen. Dafür müssen die Urwaldstandorte aber erst nach einem standardisierten Verfahren erfasst und in Verbindung mit einem wissenschaftlich fundierten Gutachten an die zuständigen Behörden und das Wald-Ministerium gemeldet werden. Eine ministerielle Kommission entscheidet schließlich über das Schicksal des Urwaldgebietes. Diese Inventarisierung erfolgte bisher ausschließlich durch Experten und NGO’s, die dafür auch keine öffentlichen Mittel erhielten. Ein für die Kartierungen vorgesehenes Budget seitens der Regierung wurde bisher nicht mobilisiert…

Um die Erfassung und Unterschutzstellung der verbliebenen rumänischen Urwälder ( Experten-Schätzungen schwanken zwischen 100.000 und 200.000 Hektar) rasch über die Bühne zu bringen, braucht es also möglichst viele Kartierungsteams. Da gleichzeitig nach wie vor Urwälder (oft auf sehr fragwürdiger legaler Basis) abgeholzt werden, ist dies ein Wettlauf mit der Zeit.

Mit den Mitteln der DBU können nun in den kommenden beiden Jahren Urwaldreservate in einem Umfang von mehreren 1.0000 Hektar (die Kooperationsbereitschaft von Waldbesitzern und Behörden vorausgesetzt) untersucht und inventarisiert werden. Die Koordinierung liegt bei Prof. Dr. Rainer Luick und Matthias Schickhofer. Die wissenschaftlichen Arbeiten und die Gutachten werden von rumänischen Wald-Experten als Projektpartner durchgeführt.

Derzeit warten 30.000 Hektar an gemeldeten Urwaldpotentialflächen auf ihre Aufnahme in den nationalen „Urwaldkatalog“. Umweltschützer kritisieren, dass die Erweiterung des „Urwaldkatalogs“ ins Stocken geraten ist und dass die (seit Juni 2017 amtierende) neue Regierung keine Anstalten macht, diesen Prozess zu beschleunigen. Der Großteil dieser Flächen war in den vergangenen Jahren von Teams im Auftrag des WWF kartiert worden.

Hier berichtet Prof. Luick über das Kartierungsprojekt.

Expedition ins weglose Boia Mica-Tal: Professor Rainer Luick mit rumänischen Begleitern.
Die Kartierungsteams nutzen Drohnen zur Dokumentation der abgelegenen und unzugänglichen Urwälder. Ion Holban (links) und Professor Rainer Luick (rechts).
Begehung des eindrucksvollen Urwaldes im Curpanului-Tal (südliches Fagaras-Gebirge) mit rumänischen Förstern, Waldexperten und Besitzern.
Seit der Renaissance hier zuhause: In Boia Mica fanden Forscher Buchen mit einem Alter von über 500 Jahren…
Das weglose Urwaldtal „Latei“ ist derzeit nicht vor Abholzung geschützt (nördliches Fagaras-Gebirge).
Rumäniens „Yosemite“: Der riesige, unberührte Urwald von Boia Mica.