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Deutsche Bundesstiftung Umwelt unterstützt rumänische Urwald-Experten

Internationale Wissenschaftler-Exkursion in rumänische Urwaldgebiete

Im August 2017 besuchte Prof. Dr. Rainer Luick (Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg – HFR, Deutschland) Urwälder in den rumänischen Karpaten. Zusammen mit rumänischen Wissenschaftlern und dem Koordinator des HFR Forschungsvorhabens, Matthias Schickhofer, war er in Projektgebieten, die im Rahmen eines von der HFR getragenen Forschungsprojektes zur Ausweisung von Urwaldschutzgebieten derzeit untersucht werden. Das Projekt “Virgin and old growth forests in Romania“ wird finanziell von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Mehrere Teams rumänischer Wissenschaftler kartieren und dokumentieren in den kommenden beiden Jahren im Rahmen des Vorhabens Waldgebiete, die nach den nationalen Kriterien potentielle Urwaldschutzgebiete sind. Auf Grundlage der Studien wird es dann hoffentlich möglich sein, möglichst viele dieser letzten europäischen Urwälder langfristig zu sichern.

Ein Fokus in der Kampagne 2017 sind Waldgebiete in den südlichen Fagarascher Alpen. Während in den Hochlagen der Gebirge schon seit sehr langer Zeit oft eine traditionelle Weidewirtschaft betrieben wird, wurden die steilen Täler kaum oder gar nicht erschlossen. Dort sind an beiden Hangflanken und auch entlang der Flüsse großflächige Wald- Wildnisgbiete erhalten geblieben. Besonders spektakulär sind die Wildnistäler Boia Mica und Laitei. Leider sind diese Urwaldgebiete – wie viele andere auch – derzeit nicht wirksam geschützt und Holzeinschlag, der in Rumänien oft in großflächigem Kahlschlag erfolgt – könnten jederzeit stattfinden. Gutachten im Rahmen des Projektes erstellt werden, sollen nun den Weg zu einer Unterschutzstellung ebnen.

Eine große Hilfe bei den Arbeiten ist die räumliche Orientierung mittels Drohnen, die für das Forschungsprojekt beschafft wurden. Es ist faszinierend, wie diese Insekten-gleichen High-Tech Fluggeräte selbst in einem dichten Waldbestand in einem engen Lichtschacht aufsteigen können und aus bis zu 500 m Höhe spektakuläre Aufnahmen über diese wertvollen europäischen Urwälder ermöglichen. So können sogar problemlos die Baumhöhen bestimmt werden und erlauben Einblicke in den Mikrokosmos der Kronenregionen der bis zu 60 m hohen Bäume; Lebensräume, die vom Boden nicht beurteilt werden können. Ion Holban (M.Sc) ist mittlerweile ein virtuoser Drohnenpilot, dem wir die spektakulären Bildsequenzen verdanken und der sie zu kleinen Dokumentationen der Untersuchungsgebiete animiert hat.

Fliegen Sie mit Ion Holban über einige der letzten Urwälder Europas:

Valea Curpanului:
youtu.be/mdV6bbx64Mw
youtu.be/2PLGlpGXUrc  
youtu.be/hv5JicvpWDA

Valea Laitei:
youtu.be/1T93U9pIim4

Baraolt Mountains:
youtu.be/kAG0MFRs4z8
youtu.be/YLVoZzqo6CQ
youtu.be/tYOKktTxkLI
youtu.be/_Bcuu4HZato

Wie vor 5000 Jahren: Traumhaftes Boia Mica-Tal.

Hintergrund

Weniger als 1% aller europäischen Wälder vermitteln noch ihr ursprüngliches Aussehen und ihre faszinierende biologische Vielfalt. Der Großteil aller noch erhaltenen großflächigen europäischen Urwälder (außerhalb von Russland) liegt im Karpatenbogen und hier in erster Linie in den rumänischen Karpaten. Dort gab es noch um das Jahr 2000 geschätzt 200.000 ha Wälder mit sehr unterschiedlichen Waldtypen, die über Jahrtausende ohne Nutzungseinfluss waren, bzw. nur marginale Spuren historischer Nutzungen aufweisen (so genannte “Quasiurwälder”). Mit dem EU Beitritt und nach dem Engagement von ausländischen Holzkonzernen, die überwiegend aus Österreich und Deutschland stammen, sind diese Urwaldflächen massiv geschrumpft. Massive illegale und auf zweifelhafte Weise “legalisierte” Einschläge, aber auch ein vielfach nur in der Theorie bestehender Schutzstatus, sind die Ursachen.

Die bis Dezember 2016 amtierende Übergangsregierung, namentlich die für den Forstbereich zuständige Staatssekretärin Erika Stanciu, hat gesetzliche Verbesserungen für einen wirksameren Schutz der Urwälder auf den Weg gebracht. Rumäniens Urwälder sind  zwar (seit dem Forstgesetz 2008) an sich „geschützt“, aber die Abholzungen schreiten trotzdem in einem bedrückender Tempo voran. Die Listung der Gebiete im nationalen „Urwaldkatalog“ soll einen umfassenden und dauerhaften Schutz sicherstellen. Dafür müssen die Urwaldstandorte aber erst nach einem standardisierten Verfahren erfasst und in Verbindung mit einem wissenschaftlich fundierten Gutachten an die zuständigen Behörden und das Wald-Ministerium gemeldet werden. Eine ministerielle Kommission entscheidet schließlich über das Schicksal des Urwaldgebietes. Diese Inventarisierung erfolgte bisher ausschließlich durch Experten und NGO’s, die dafür auch keine öffentlichen Mittel erhielten. Ein für die Kartierungen vorgesehenes Budget seitens der Regierung wurde bisher nicht mobilisiert…

Um die Erfassung und Unterschutzstellung der verbliebenen rumänischen Urwälder ( Experten-Schätzungen schwanken zwischen 100.000 und 200.000 Hektar) rasch über die Bühne zu bringen, braucht es also möglichst viele Kartierungsteams. Da gleichzeitig nach wie vor Urwälder (oft auf sehr fragwürdiger legaler Basis) abgeholzt werden, ist dies ein Wettlauf mit der Zeit.

Mit den Mitteln der DBU können nun in den kommenden beiden Jahren Urwaldreservate in einem Umfang von mehreren 1.0000 Hektar (die Kooperationsbereitschaft von Waldbesitzern und Behörden vorausgesetzt) untersucht und inventarisiert werden. Die Koordinierung liegt bei Prof. Dr. Rainer Luick und Matthias Schickhofer. Die wissenschaftlichen Arbeiten und die Gutachten werden von rumänischen Wald-Experten als Projektpartner durchgeführt.

Derzeit warten 30.000 Hektar an gemeldeten Urwaldpotentialflächen auf ihre Aufnahme in den nationalen „Urwaldkatalog“. Umweltschützer kritisieren, dass die Erweiterung des „Urwaldkatalogs“ ins Stocken geraten ist und dass die (seit Juni 2017 amtierende) neue Regierung keine Anstalten macht, diesen Prozess zu beschleunigen. Der Großteil dieser Flächen war in den vergangenen Jahren von Teams im Auftrag des WWF kartiert worden.

Hier berichtet Prof. Luick über das Kartierungsprojekt.

Expedition ins weglose Boia Mica-Tal: Professor Rainer Luick mit rumänischen Begleitern.
Die Kartierungsteams nutzen Drohnen zur Dokumentation der abgelegenen und unzugänglichen Urwälder. Ion Holban (links) und Professor Rainer Luick (rechts).
Begehung des eindrucksvollen Urwaldes im Curpanului-Tal (südliches Fagaras-Gebirge) mit rumänischen Förstern, Waldexperten und Besitzern.
Seit der Renaissance hier zuhause: In Boia Mica fanden Forscher Buchen mit einem Alter von über 500 Jahren…
Das weglose Urwaldtal „Latei“ ist derzeit nicht vor Abholzung geschützt (nördliches Fagaras-Gebirge).
Rumäniens „Yosemite“: Der riesige, unberührte Urwald von Boia Mica.

Rettet den Urwald von Boia Mica!

Einem der wertvollsten und letzten Urwälder Europas droht die Abholzung.

Das weglose Boia Mica-Tal liegt inmitten des Fagaras-Gebirges in den südlichen Karpaten und gehört nachweislich zu den letzten Hochburgen europäischer Wildnisgebiete

Kein Weg führt in das wilde Tal mit seinen riesigen Urwäldern. Internationale Urwaldforscher haben dort Buchen mit einem Alter von mehr als 500 Jahren gefunden. Obwohl der Paradieswald von Boia Mica in einem Natura 2000 Gebiet liegt, ist der Schutz dieses Naturjuwels nicht garantiert. Gemeinsam mit der rumänischen Partnerorganisation Agent Green und renommierten internationalen Waldwissenschaftlern ruft EuroNatur die rumänische Regierung in einem offenen Brief dringend auf, sofort zu handeln und Boia Mica als Naturschatz von europäischer Bedeutung vor der Zerstörung zu bewahren. 

Europa hat fast keine Urwälder mehr. Derzeit befinden sich noch rund 60 Prozent der letzten Urwälder der EU in Rumänien. In keinem anderen EU-Land haben mehr Urwälder überlebt. Doch dieser einzigartige Naturschatz schwindet: In den letzten zehn Jahren sind riesige Gebiete dieser mehr als 6.000 Jahre alten Waldgesellschaften abgeholzt worden. Viele Urwälder wurden illegal gerodet. 

Offener Brief an die Regierung Rumäniens

Prof. Hans Knapp, Urwaldforscher Martin Mikulas und Waldschützer aus verschiedenen Ländern im Boia Mica-Tal.
Kein Weg führt in das Boia Mica Tal. Die Forstrassen sind aber bereits am Taleingang angekommen…
Great Boia Mica valley in Fagaras Natura 2000 site.
Freier Gebirgsfluss im Boia Mica-Tal.
Unwegsame, steile Wildnis: oberes Boia Mica-Tal .
Unschätzbarer Wert für die Wissenschaft: 400 Jahre alte Methusalem-Buche.

Boia Mică Tal im Făgăraș: Europas wildestes Gebirgstal

EuroNatur und  Green fordert besseren Schutz für Europas Urwald- „Hot Spot“ im Natura-2000-Gebiet Fagaras-Gebirge

Das wahrscheinlich wildeste Tal im Herzen Europas wurde kürzlich in Rumänien entdeckt. Gleichzeitig warnt heute die rumänische Naturschutzorganisation Agent Green davor, dass dieses Paradies schon bald zerstört sein könnte. Das Boia Mica Tal ist ein steiles, abgeschiedenes Tal mit einem großen, unberührten und beinahe unzugänglichen Urwald. Es liegt im Fagaras-Gebirge, einer der letzten Hochburgen großer europäischer Wildnisgebiete.

In den letzten Jahren sind viele Urwälder im Fagaras-Gebirge gerodet und dadurch für immer zerstört worden. Einige Kahlschläge im Natura 2000-Gebiet, welches große Bereiche des Fagaras-Gebirges umfasst, sind mehrere hundert Hektar groß. Die international tätige EuroNatur Stiftung und Agent Green fordern die rumänische Regierung dazu auf, die Abholzung im Fagaras-Gebirge umgehend zu stoppen und dort einen Nationalpark zu schaffen, der die internationalen IUCN-Kriterien erfüllt. Ganz besonders das herausragende Boia Mica Tal verdient sofortige Maßnahmen, um seine Zerstörung zu verhindern.

„Boia Mica liegt im Natura 2000-Gebiet Fagaras-Gebirge. Nach europäischer Gesetzgebung ist es bereits geschützt. Aber das verhindert die Abholzung offensichtlich nicht, wie wir an vielen Negativbeispielen und klaren Verstößen gegen die Vorgaben von Natura 2000 gesehen haben. Die rumänischen Behörden müssen den Naturschutz im Fagaras-Gebirge und in den meisten Natura 2000-Gebieten des Landes dringend stärken“, fordert Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur. Der obere Teil von Boia Mica ist komplett unberührt, steile Hänge und Schluchten haben es bisher vor Abholzung und Plänen für Staudammprojekte bewahrt. Jedoch gibt es auch hier bereits Nutzungspläne.
„Boia Mica ist eines der bedeutendsten Wildnisgebiete sowie einer der größten und am wenigsten zugänglichen Urwälder Europas. Ich habe die meisten der wilden Wälder Europas gesehen“, sagt Fotograf und Buchautor Matthias Schickhofer, „Boia Mica ist vergleichbar mit den wertvollsten Gebieten wie dem Biogradska Gora Nationalpark (Montenegro), dem Perucica Urwald (Bosnien-Herzegowina) oder Polens Biolowieza Wald. Es wäre ein Desaster für ganz Europa, wenn es zerstört würde.“

Martin Mikolas, ein slowakischer Waldwissenschaftler, der für die Abteilung für Waldökologie an der Naturwissenschaftlichen Universität in Prag arbeitet, forscht seit vielen Jahren in Boia Mica und sagt: „Wir haben dort die wahrscheinlich älteste Buche in Rumänien gefunden. Wir haben 480 Jahresringe gezählt. Da wir bei der Messung aber nicht bis zum Zentrum des Baumes gelangt sind, ist der Baum sicher älter. Das wahre Alter könnte zwischen 500-520 Jahren liegen. Alles in allem haben wir 15 Bäume, die älter als 400 Jahre sind, in Boia Mica gefunden.“

Im Juli 2016 besuchten Martin Mikolas, Matthias Schickhofer und rumänische Waldexperten zudem andere Urwaldgebiete in Fagaras, insbesondere Ucea Mare und Arpaselu. Auch das Strambei Tal in der Nähe von Sinca wurde von rumänischen Experten untersucht. Die Experten bestätigen, dass all diese Wälder unberührt sind und vollständig die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz von Urwäldern in Rumänien erfüllen. Doch keines dieser Gebiete ist bisher offiziell als Urwald registriert. Das bedeutet, sie genießen entsprechend dem rumänischen Waldgesetz keinen ausreichenden Schutz. Forststraßen wurden bereits bis an die Grenzen dieser Urwälder gebaut. Agent Green und EuroNatur fordern die rumänischen Behörden dringend auf, sofort zu handeln und diese wilden Orte von europäischer Bedeutung zu sichern.

Pathless wilderness of Boia Mica.